Der Zimmerspringbrunnen
und mir geschossen hatte, auf dem Balkon und im Wohnzimmer – mit Selbstauslöser.
Aber das ließ ich dann. Ohne Bildbeilage würde die Wiedersehensfreude noch viel größer sein.
Um nichts dem Zufall zu überlassen (auch, damit Julia sah, daß es ernstgemeint war und nicht Larifari), setzte ich in Druckbuchstaben darunter: U. A. w. g.!
Das kam mir aber, als ich Freitag noch einmal alles vorlas, doch wieder zu nüchtern, zu amtlich vor. (Es konnte unter Umständen auch übertrieben, sogar albern wirken!) Also, noch eine Fußnote: »Um pünktliche Terminbestätigung wird v. a. deswegen gebeten, damit ich am 24. den Backofen rechtzeitig vorheizen kann. Desweiteren: wegen der Klöße. Ich will sie diesmal rechtzeitig aufsetzen. Ich habe mich in dieser strittigen Angelegenheit noch einmal sachkundig gemacht – im großen hellblauen Kochbuch (Flurregal, rechts oben, neben der Badtür), welches wir uns, wie Du Dich vielleicht erinnern wirst, 1977 gegenseitig zu unserem zehnten Hochzeitstag schenkten – Vorletztes Jahr, unser Weihnachtsstreit, das räume ich hiermit offen und selbstkritisch ein, war absolut überflüssig. Der Fehler, wie ich heute erkennen muß, lag damals eindeutig auf meiner Seite! – Sie mußten klitschig werden!«
Genug nun des Entgegenkommens! Es mußte ja nicht gleich ein Selbstbezichtigungsschreiben, ein Bekennerbrief, werden. Ich klebte den Brief zu und versah ihn mit einer Markmarke. Freitag ließ ich zu Hause. Das mußte ich alleine tun. Innerlich bewegt, ging ich zum Kasten, Ecke Vivaldisteig.
Der Brief fiel durch den Schlitz ins Ungewisse.
Der Countdown lief.
21. Dezember.
Früh war ich auf, ich hatte mir den Wecker gestellt. Das Protokollbuch vermeldet für dieses Datum: »1. Wiederherstellung der alten Ordnung! (das A und O überhaupt); 2. Fortführung Unterricht Freitag; 3. Sonstiges.«
Die Restbestände meiner Flurkartons, viel war nach dem Weihnachtsgeschäft nicht übriggeblieben, räumte ich in den Hobbyraum. Danach wandte ich mich dem Wohnzimmer zu. Freitag zeigte sich anstellig, er trug mir den Staublappen hinterher, wofür ich ihn lobte. Besondere Sorgfalt war auf die Kommode und den Schreibsekretär zu verwenden. Viel Gedrechseltes, Geschnitztes – hier war das Fortkommen sehr erschwert. Diese Möbel stammten aus Julias Linie, waren also angeheiratet. Ich streichelte sie deshalb mit dem Staublappen nur ganz vorsichtig. Die Kleinarbeiten erfolgten mit dem Rasierpinsel. Nach einer Stunde ungefähr konnte ich mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Großflächiger war bei der Schrankwand vorzugehen. Sie entsprach in ihren Ausmaßen, ihrem »Design«, ganz unserem Wohnblock, war klar und übersichtlich gestaltet. Staub und anderes Unnützes hatten hier kaum eine Chance, sich unentdeckt zu verbergen.
Nur bei einem Kontrollblick in die Mittelfächer (unten) wurde ich aufgehalten. Aktenordner fielen mir entgegen. Meine alten KWV – Akten!
Das brachte zwar meinen Zeitplan durcheinander, aber ich fand, auch dieses Kapitel mußte jetzt abgeschlossen werden. Diese Akten belasteten mich. Am besten wäre es überhaupt gewesen, hätte ich sie damals vernichtet. Ratlos blätterte ich in den Papieren, diesen abgehefteten, abgelegten Zeugnissen meines Vorlebens …
Je länger ich darüber nachdachte, desto vernünftiger erschien mir übrigens dieses Wort: Vor-Leben. Noch nicht das richtige Leben, aber eines davor, eine Phase der Vorbereitung, es mußte sich erst noch entpuppen (eineandere Frage: Ob nicht unser ganzes Leben ein Vor-Leben ist? – Doch das streifte Religiöses; ich konnte und wollte das an dieser Stelle nicht vertiefen. Außerdem war das nicht mein Spezialgebiet.)
Um eine ungefähre Ordnung zu bekommen, sortierte ich fürs erste die Schadensprotokolle aus, ein schnell wachsender Stapel grauen, gelblichen und rosafarbenen Durchschlagpapiers.
Damals, in den Jahren als Sachbearbeiter bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung, hatte meine Spezialaufgabe darin bestanden, wiederholt und nachhaltig beschwerdeführende Mieter zu Hause aufzusuchen, um mir an Ort und Stelle ein Bild vom Ausmaß ihrer Schäden zu machen. Das reichte von einer Schlafzimmerdecke, auf der Pilze wuchsen, weil es seit Jahren durchregnete, über durchgefaulte Küchendielungen, die den Blick aufs – wie lange noch? – tragende Gebälk freigaben, bis hin zu Fenstern, die sich mitsamt ihren Rahmen aus dem morschen Mauerwerk lösten.
Die Ergebnisse meiner Vor-Ort-Inspektionen waren in
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