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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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auch so ganz gemütlich machen. (Rückblickend muß ich sagen: Das war ein großer Fehler!) Sicher auch ein Fehlerwar es, daß ich, wie ich es für gewöhnlich zu Hause tue, im Unterhemd herumlief (was Julia – das flechte ich hier ein – übrigens stets aufs schärfste verurteilt hatte!).
    »Schön habt ihr es hier«, sagte Strüver, als ich mit ihm durch den düsteren Flur tappte. Leider benahm sich Freitag ziemlich unmöglich, war ungezogen, zudringlich. Das lag sicher auch an Uwes stechendem Rasierwasser (– ein Duft, der Hunde provoziert!). Ich wies Freitag mehrmals laut zurecht, da war er ruhig. In der Küche überreichte ich Strüver das Tablett mit den Heringshäppchen, ich selbst nahm die Bierbüchsen. Daraufhin begaben wir uns unverzüglich in den Hobbyraum. Dort wies ich Strüver kurz ein, führte, wegen des defekten Stichsägenschalters, eine kurze Arbeitsschutzbelehrung durch und händigte ihm meine dunkelblaue Ersatzschürze aus.
    Strüver sah sich ehrfürchtig in meiner kleinen Höhle um.
    Schon in dem Moment aber, als Strüver die Laubsäge auch nur in die Hand nahm (oder wenigstens so tat), sah ich: Hier wird Theater gespielt, das alles ist nur ein Vorwand … Doch ich ließ mir nichts anmerken, zeichnete mit ruhiger Hand die Außenmaße für die Bücherstützen (ein uraltes Projekt!) auf dem Brettchen an und begann stumm mit der Sägearbeit.
    Strüver, nachdem er sich ein bißchen an seinem Schlüsselbrettrohling vergangen hatte (es kostete mich Nerven, darüber hinwegzusehen und nicht sofort einzugreifen), Strüver also sagte, die Säge absetzend, in die Stille hinein: »Mensch, das ist doch schön, mal so in aller Ruhe über alles quatschen zu können.«
    Schweigend setzten wir die Arbeit fort.
    Dann – und ich sah, daß er Mut fassen mußte, ehe er den nächsten Satz, der ihm offenbar sehr, sehr schwerzufallen schien, über die Lippen brachte –   : »Sag mal, Hinrich, wo wir jetzt hier ganz ungestört und für uns sind, wäre es da nicht mal an der Zeit … an der Zeit für ein Geständnis? Von Mann zu Mann …«
    Er schickte mir einen treuherzigen Blick zu.
    »Willst du mir jetzt etwas sagen, Hinrich?«
    Dieser Blick!
    Da wußte ich es. Da war es mir klar – … die Art, wie er mir die Blumen überreicht hatte, und wie erleichtert er wirkte, als er erfuhr, daß Julia nicht zu Hause war (als hätte er das insgeheim von mir erhofft) … sein Zopf (eher ja ein Pferdeschwänzchen) … diese auffällig gemusterten Seidenhemden … überhaupt, all die offenen und verdeckten Annäherungsversuche in letzter Zeit – alles stand plötzlich in neuem Licht vor meinen Augen: Uwe ist schwul !
    Er legte vertrauensvoll seine Hand auf meine Schulter.
    Ich wurde rot.
    »Ist schon gut«, sagte er, bereits wieder ein Stück abrückend, »ich habe natürlich Verständnis dafür, daß es dir schwerfällt … daß du darüber nicht so einfach sprechen kannst. Aber, Hinrich – ich nenne dich einfach weiter Hinrich, ja? –, man kann nicht auf Dauer mit einer Lüge leben …«
    Ich dachte an Julia – und schnaufte schwer aus.
    Dann blickte ich auf, ein zufälliger Blick in den Wandspiegel, der zwischen Ansichtskarten aus aller Welt mein fragendes Gesicht zeigte: Bin ich schön?
    Ich beugte mich wieder schweigend über die Arbeit, sägte jetzt mit Inbrunst.
    Uwe, glaube ich, verstand.
    Als ich ihm dann noch half, sein angefangenes Schlüsselbrettchen mit einigen Finessen zu versehen (ovaleAussparungen ober- und unterhalb der Haltebereiche; umlaufendes, mit dem Lötkolben eingebranntes Zickzackmotiv), hatte sich die Atmosphäre über der Arbeit, die höchstes Fingerspitzengefühl verlangte, allmählich wieder entspannt und versachlicht. Uwe bedankte sich, ich will nicht sagen: kühl, aber, Gott sei Dank, doch schon etwas »abgekühlt«, für meine Hilfe.
    Auch ich war, als ich mich soweit wieder beruhigt hatte (erst der Manuela-Schock, jetzt das! – war ich denn Freiwild geworden?), im Innersten dankbar.
    Diese Offenbarung, so unangenehm sie mir im Augenblick auch war, zeigte mir doch: Uwe ahnte nichts von meinen Atlantis-Unternehmungen. Immerhin, nicht zu vergessen, wir befanden uns ja nicht irgendwo, sondern – wie ich diesen Raum damals streng vertraulich im Umgang mit Freitag zu nennen pflegte – in der »Fälscherwerkstatt« . Ich gebot mir, unter allen Umständen Stillschweigen über die Atlantis-Angelegenheit zu wahren, um Uwe nicht noch diese überflüssige Enttäuschung zu

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