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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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als Fressen, Gassi und Glotze! Man kann nicht so wie du bloß in den Tag hineinleben. Das Leben muß doch einen Sinn haben, einen Sinn, verstehst du! … Jeder Mensch … überhaupt: jede Kreatur   … man muß doch an etwas glauben in der Welt, verdammt noch mal!«
    Beim Sprechen hatte ich mich aufgerichtet, war zuletzt sogar vom Sofa aufgestanden, stand schließlich in der Mitte des Zimmers, direkt vor Freitag. Bei bestimmten Ansprachen muß man stehen, man kann sie nicht im Liegen halten.
    »Verstehst du das?«
    Freitag sah mich verständnislos, aber tatendurstig an.
    »Du wirst jetzt lernen, den Pantoffel zurückzubringen!«
    Ich holte mir einen der Hausschuhe und schleuderte ihn in gehabter Weise weit, weit von mir.
    Freitag machte keinerlei Anstalten.
    Ich sah ihn streng an. Gut, ich ließ mich herab, seufzend – auf allen vieren lief ich beherzt und geschwind zum Pantoffel, schnappte ihn mir und trug ihn im Maul zurück. Vor Freitags Füßen legte ich ihn atemlos ab.
    »Jetzt du!«
    Noch einmal flog der Filzschuh –
    Freitag verharrte mißtrauisch. (Ich blieb ruhig. Bisher hatte ich mich ja, was seine Erziehung betraf, nicht gerade hervorgetan. Da durfte ich mich über seine Zurückhaltung nicht wundern. Das mußte ich akzeptieren.)
    Ich kroch also noch einmal los; aber jetzt ganz langsam, damit der Hund es sich besser einprägen konnte. Diesmal, immerhin, folgte er mir wenigstens. Seine Augen – staunend zusammengekniffen, seinen Schwanz aufgeregt wedelnd.
    Das war ein kleiner, ein winziger Fortschritt.
    Ich richtete mich auf. Sicher, wir sollten systematisch vorgehen. »Sitz!« oder »Platz!«, »Lieg!«, »Hol den Hausschuh!« (also Apportieren), Männchen-machen – das alles mußte schrittweise an ihn herangeführt werden.
    Letzteres aber, Männchen-Machen, das wenigstens wollte ich auf der Stelle noch mal mit ihm probieren. (Das stellte ich mir wunderschön vor: Ich komme abends völlig zerstört nach Hause, schließe die Wohnungstür auf, mache Licht. Und … ja, wer sitzt denn da im Flur und macht Männchen vor mir?)
    Ich ging also nochmals vor ihm in die Knie, preßte die Oberarme fest an meinen Körper, streckte die Unterarme vor, ließ die Pfoten hängen, auch die Zunge ließ ich seitlich ein Stück aus dem halboffenen Mund heraushängen – Freitag gefiel das nicht. Er ging weg. Ließ mich einfach, so auf Knien, stehen! Sofort war ich hoch, lief ihm hinterher und baute mich wieder in Männchen-Haltung vor ihm auf.
    Er wandte sich ab.
    Na gut, fürs erste ließ ich es damit bewenden. Ein Anfang war gemacht.
    Über all den Vorführungen war ich nun doch ziemlich hungrig geworden. Ich öffnete eine Büchse Hundefutter. Das war sicher ein pädagogischer Fehler; für die weitere Dressurarbeit wäre es zweifellos richtiger gewesen, immer noch ein kleines Extra in der Hinterhand zu haben und nicht Freitags bisherige Lernunwilligkeit dermaßen zu belohnen – trotzdem, ich hatte keine Lust, alleine zu essen.
    Wie wir so am Boden saßen und ich von meinemkalt abtropfenden Wikinger-Würstchen, aus dem Glase, abbiß –
    »Ich lade Julia zum Essen ein!« Plötzlich war mir dieser Gedanke von irgendwoher (aus dem grummelnden Bauch vielleicht) in den Kopf gestiegen. Ein großer Gedanke! Der mich ausfüllte, der keinem anderen Gedanken mehr Platz ließ. Mir wurde schwindelig bei der Vorstellung: am 24.! Zum Mittag! So wie früher …
    Ich hielt im Kauen inne.
    Ich dachte an Karpfen.
    Unter Umständen kam auch Kaninchen in Frage, mit Klößen. Meine Gedanken wanderten in die Vergangenheit …
    Jahresende – unwiederbringliche Gelegenheit, endlich einen Schlußstrich unter unsere Zerwürfnisse zu ziehen!
    Ich trocknete mir langsam die Hände am Küchenhandtuch ab. Kurz darauf saß ich am Küchentisch und fertigte das Einladungsschreiben an Julia aus, für den 24. Dezember, 12 Uhr – zum Mittagessen.
    Freitag lag mir zu Füßen. Andeutungsweise erwähnte ich daher noch, daß zu Hause eine große Überraschung wartete.
    Ich hob den Füller vom Papier, schloß die Augen und stellte mir vor: Julia kommt nach Hause. Hallo, sage ich. Und statt des üblichen Gekläffes und Gespringes sitzt ein ganz braver Freitag in der Ecke – und ich sage zu ihm: Komm, gib Pfötchen, wie du es gelernt hast – und da streckt er Julia artig sein rechtes Pfötchen hin.
    Einen Moment lang hatte ich auch überlegt, ob ich nicht noch ein paar von den Farbfotos dazulegen sollte, die ich Anfang des Monats von Freitag

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