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Der Zweite Tod

Titel: Der Zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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Großes und Schweres musste ihn von hinten getroffen haben. Der Schmerz drang spitz und stechend in seinen Rücken ein und breit ete sich in Well en in seinem Körper aus. In seinen Fingern und Zehen schienen ihn winzige Nadeln zu stechen. Die Welle hinterl ieß überall Taubheit. Sein Körper schlief langsam ein. Die Wurzel sei ner Zunge be gann an zu schwel len und gegen seinen Gau men zu drücken. Er bildete sich Gerüche ein, die es hier nicht geben konnte. Mandeln und Veilchen. Er schmeckte die Säure, die aus seinem Magen her aufdrang. Die Überr as chung ging in eine träge Schwere über, dazwischen durchl itt er einen Augenblick der Fas sungslosig keit. Wie ein hä misches Echo hallte Sinuhes berühmter Ausspruch durch sei nen Kopf.
    Das
ist der Geschmack des Todes.
    Es gab nun keinen Zweifel mehr darüber, auf welchem Wort der Satz zu betonen war. Die wissenschaftliche Diskussion war be endet. Dass er einmal sol che Gewissheit er lan gen würde, hatte er nicht erwartet.
    Das war alles. Weiter kamen seine Gedanken nicht. Carl Pe-tersson drehte den Kopf zur Seite. Mari stand schweigend da und starrte ins Leere. Sie hatte den Blick von ihm abgewandt. Wut, Schrecken, er las beides in ihren Augen. Warum sah sie ihn nicht an? Er griff sich an den Rücken und tastete, bis er kaltes Metall spürte. Ohne zu begreifen, tastete er weiter. Ein unbekanntes Ziel zog seine Finger an, bis seine Hände in ihrer Ver-dre hung zu zit tern began nen.
    Der Brieföffner. Mari.
    Mari hatte ihm die Klinge in den Rücken gestoßen. Aber er hatte doch einen dumpfen Schlag gespürt! Jetzt erst begriff er, wirk lich erst jetzt.
    Seine Arme erschlafften nun. Es war ihm nicht gelungen, die Klinge herauszuziehen, obwohl sie nicht so tief in ihm zu stecken schien. Sein laules Ächzen schreckte Mari aus ihrer Starre auf. Sie tat einige richtungslose Schritte im Zimmer, riss den Aktenschrank auf, wandte sich aber wieder ab und rannte hi naus, um so gleich mit ih rer Sport ta sche zu rück zu keh ren. Im Lauf fiel sie vor dem Aktenschrank auf die Knie und rutschte noch einige Zent imet er weiter. Hast ig kramte sie in den Fächern herum. Sie entdeckte die Schuldscheine mit ihrer Unterschrift darauf und stopfte sie in die Tasche. Sie entdeckte das Geld und packte alle Bündel dazu. Papiere, für die sie sich nicht inte ressierte, glit ten unbeachtet zu Bo den. Sie küm merte sich nicht darum.
    Jetzt sah er, was er nicht begriffen hatte, jetzt sah er all ihre Gedanken in dem, was sie tat.
    Er konnte den Kopf inzwis chen nicht mehr bewegen und nahm sie nur noch aus den Augenwinkeln wahr. So klar und entschieden hatte er sie noch nie gesehen. Mit kalt en Augen blickte sie sich im Zimmer um. Dann riss sie das Tel efon aus der Ladestation und rannte wieder aus dem Zimmer, eilte durch die Räume und warf ihre Sachen in die Tasche.
    Auf einmal stand sie mitten im Raum, jetzt war sie angezogen. Sie trat hinter ihn und versuchte, die Klinge aus seinem Rücken zu ziehen. Es gelang ihr nicht. Mari gab auf und stürmte hinaus. Mit harten Schritten kehrte sie erneut zurück und wischte den Griff des Brieföffners, der noch immer in seinem Rücken steckte, mit einem Spüllappen ab. Anschließend warf sie den Lappen als Beleidigung auf den Tisch und verschwand aus dem Zimmer.
    Carl Pe ters sons Ge dan ken er lahm ten. Er war viel zu weit gegangen mit ihr, das musste er sich nicht mehr eingestehen. Es lag nun offen da. Der gelbe Lappen dicht vor seiner Nase stank modrig. Er hatte ihn verdient.
    Er würde sie nie mehr wiedersehen. Er verstand, und er verstand nicht. Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Sie verriegelte es gewissenhaft. Einmal, zweimal drehte sie den Schlüssel herum und zog ihn heraus.
    Damit war das letzte Geräusch verklungen. Carl Pet ersson saß allein an seinem Schreibtisch und wusste nicht, ob er leben oder sterben würde.

2
    Beim ersten Piepsen des Weckers war sie hellwach. Linda Ce-derström öffnete die Augen, und ihr erster Gedanke war wie an jedem Morgen: Mama ist tot.
    Vor vier Jahren nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter war es wie ein not wendiges Mantra gewe sen, um die Verände rung in ihrem Leben an jedem neuen Morgen einzuüben, bevor sie aufstand. Aber sie war es nie mehr losgeworden.
    Heute blieb keine Zeit, ihre liebste Er innerung dage gen zu setzen. Sie atmete tief durch. Sie hatte gelernt, mit dem heutigen Tag zu leben wie ein Armenier mit dem nächsten Erdbeben.
    Es war finster im Zimmer. Sie richtete sich auf und

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