Der Zweite Tod
eilte wieder nach oben und kehrte nach einer Minute mit Werkzeug aus Pers Sort i-ment zurück. Inzwischen hatte Kjell an der Tür gehorcht, aber keine Geräusche da hinter aus ma chen können.
»Die Einsatzzentrale besteht darauf, dass der Anruf tatsächlich von Sahllns Anschluss kommt«, sagte Sofi. »Viktoria hat schon von der Straße aus nachgesehen, ob innen Licht brennt. Al les dunkel.«
»Dann brechen wir auf.«
Sofi kniete sich vor das Schloss und versuchte es mit einem dünnen Metallschaber. »Satan auch!«, keuchte sie. »Die ist abgeschlossen. Ich stoße gegen den Bolzen.« Jenseits der Tür klingelte ein Telefon. »Das ist die Zentrale, sie versuchen es immer wieder.«
Kjell lehnte sich mit dem Rücken an die gegenü ber liegende Flurwand, stieß sich ab und trat von unten mit der Schuhsohle gegen das Schloss. Die Tür gab oben und unt en etwas nach, hatte also keine zusätzlichen Sicher heits zapfen, die ei nem die Schulter brechen konnten. In diesem Moment kamen Viktorias Kollegen. Zu dritt traten sie gegen das Schloss, bis es brach. Sie prüften die Zimmer. Niemand war in dieser Wohnung, auch der Kühlschrank war bis auf Haltbares wie Ketchup und Senf leergeräumt. Das Bett war abgezogen. Kjell nahm mit den Fingerspitzen den Telefonhörer ab und drückte auf die Wahlwieder-ho lungs tas te. Am ande ren Ende meldete sich die Poli zei zentrale. Er kratzte sich am Kopf und wandte sich an den jüngeren der beiden Männer.
»Geh hinauf zu Per und hol ein elektronisches Siegel für die Tür. Per soll sich die Wohnung gleich ansehen, sobald er oben mit dem Gröbsten durch ist.« Dann wandte er sich an den anderen. »Wir haben bestimmt das ganze Haus aufgeweckt. Jetzt müssen wir damit rechnen, dass jemand die Presse anruft. Geh hinunter zum Klingelbrett und entferne beide Namensschilder. Und die an den Wohnungstüren und Briefkästen entfernst du auch. Ruf bei der Telefongesellschaft an und lass die Nummern aus al len Registern ent fer nen. An schlie ßend klingelt ihr bei den Nachbarn. Fangt im dritten und vierten Stock an und erledigt dann den Rest. Sobald die Post öffnet, leitest du alle Sendungen an die beiden Namen zu uns ins Präsidium um. Die Namensschilder müssen bis um neun Uhr mit Phantasienamen ersetzt werden. Und eine neue Tür brauchen wir auch.«
Die beiden nickten angestrengt und versuchten, sich alles zu merken. Inzwischen lugten die ersten Gesichter aus geöffneten Wohnungstüren. Viktorias Kollegen machten sich auf den Weg zu den aufgescheuchten Nachbarn. Sie baten einen nach dem ande ren, wie der hineinzugehen und zu war ten.
»Ich will mir jetzt das Zimmer ansehen«, murmelte Kjell.
Zurück in der Wohnung begann er, die Bücherregale im Flur zu studieren, die beide Seiten des Ganges bedeckten. Er ließ sich bei seiner Inspektion ausgiebig Zeit. Die Themen waren Archäologie, Kunst geschichte, antike Sprachen und Ge schichte der Antike. Zudem befand sich eine Reihe von materialkundlichen Wer ken da runter, Papyrus, Stein, Metall. Da zwi schen steck ten aber auch allerlei andere Themen. Sofi zog einen dicken Band heraus und zeigte ihm den Titel:
Feuer, Frauen und gefährliche Ge gen stände.
Sie schlug es auf.
»Was Kategorien über den menschlichen Geist verraten … ein Buch über … Semantik«, las sie grinsend und quetschte es wieder ins Regal. Es war leichter, die Bü cher he rauszu zie hen als wieder hi neinzubekommen. Obwohl der Be sit zer nicht mehr schimpfen konnte, war sie sehr behutsam.
Kjell, der klassische Lit erat ur studiert hatte, war vor siebzehn Jahren durch eines der ersten Quereinsteigerprogramme für Geisteswissenschaftler bei der Polizei gelandet. Davor waren nur Techniker und Juristen gebraucht worden. Es lag eine gewisse Ironie darin, dass er ausgerechnet einen Beruf wählen musste, über den man in der Antike nur verständnislos den Kopf geschüttelt hätte, aber alles ist möglich, wenn man Vater einer Tochter wird und Geld braucht. Er versuchte, seinen Stolz dadurch zu wahren, dass er auf patrizisch unbeteil igte Weise durch den Berufsalltag spazierte. Immer gelang ihm das nicht. Nur die Allerbesten konnten ihre Gravitas bewahren, während sie eine Tür eintraten.
Bald er schie nen fünfMän ner, um die Leiche ab zu ho len. Kjell beobachtete, wie sie die Leiche anhoben. Oberkörper und Kopf hatten bisher auf der Tischplatte gelegen. Der Anblick des Toten war zu ertragen, eingebettet in diese Szenerie wirkte er beinahe mal erisch, jedenfalls wenn man es
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