Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
verlängerte Arme Geists Befehlen gehorchte.
    Sie tastete nach Mütterchen, fand sie und trug sie auf den Wogen durchs Tor. Auch Löwenzahn packte sie, zerrte ihn an ertrinkenden Nordlingen vorbei zum Spalt, hinaus auf die Kreuzung, ins Trockene. Die Suche nach Alberich gestaltete sich schwieriger, war er doch kleiner als die anderen und inmitten der tobenden Wassermassen kaum auszumachen. Dennoch spürte sie ihn auf, wenn auch mit großer Verzögerung, und sie fürchtete schon, die Flut hätte ihn getötet. Doch als sie ihn in den sicheren Stollen zog, spürte sie seinen Herzschlag.
    Zuletzt warf sie die Flügel des Portals zu, nicht mit dem Kurbelmechanismus, sondern kraft ihrer magischen Macht. Der Wasserstrom brach ab, Geist verlor die Verbindung zu den Pflanzenpartikeln, und sofort zog sich die Kraft in ihr zurück, in jenen abgelegenen Winkel ihrer selbst, auf den sie allein keinen Zugriff hatte.
    Im Inneren der Halle floss der Zeitstrom zurück in seine alte Bahn, der nächste Augenblick brach an. Die Flut donnerte weiter und warf sich mit gewaltiger Macht gegen das Tor. Der Eingang erbebte, Wasserstrahlen schossen durch die Ritzen.
    Auch für Geist beschleunigte sich die Zeit, doch sie bemerkte es nicht mehr. Sie spürte auch nicht die Hände ihrer Freunde, die sie hochhoben und bewusstlos durch einen der Stollen nach oben trugen, in die höheren Ebenen, hinauf in die Stille des Bergmassivs.

EPILOG
    Die Kammer, in der Geist den Horthüter fand, war klein und lag fernab aller großen Verbindungsflure. Sie hatte lange nach ihm gesucht, ihr Weg hatte sie durch weite Teile der oberen Ebenen geführt. Doch entdeckt hatte sie ihn letztlich nur aufgrund eines Zufalls. Sie hatte sich verlaufen und war dabei in einen hohen, dunklen Korridor gelangt. Zu ihrer Rechten befand sich ein Durchgang, durch den sanfter Kerzenschein fiel; das Licht flackerte verloren über den Fels der gegenüberliegenden Wand.
    Einen Moment lang stockte Geists Atem. Mütterchen und Löwenzahn waren oben am Eingang, das wusste sie genau. Alberich dagegen benötigte kein künstliches Licht. Wer also trieb sich hier unten herum? Gab es immer noch Nordlinge und Zwerge im Berg, die sich in diesem abgeschiedenen Winkel versteckten?
    Sie fasste all ihren Mut und schaute zaghaft um die Ecke des Durchgangs. Erleichtert atmete sie auf. Es war Alberich. Der Horthüter stand mit dem Rücken zur Tür vor einem steinernen Sarkophag, der sich in der Mitte der Kammer auf einem Podest erhob. An den Rändern hatte er mehrere Kerzen aufgestellt. Ihre Flammen zitterten, als Geist langsam in den Raum trat.
    Alberich schaute nur kurz über die Schulter, wandte sich dann wieder dem Sarkophag zu. Mit beiden Händen stützte er sich auf den Stiel seiner Goldgeißel.
    »Verzeih«, sagte Geist leise. Etwas in ihr sträubte sich, neben ihn zu treten, und so blieb sie einige Schritte hinter seinem Rücken stehen. »Störe ich?«
    Was für eine dumme Frage, durchfuhr es sie.
    Alberich sprach, ohne sie anzusehen. »Früher bin ich jeden Tag hierhergekommen. Aber in den letzten zwei Jahren sind meine Besuche selten geworden.« Er zögerte. »Sie würde es verstehen«, fuhr er dann gedankenverloren fort. »Ich weiß, dass sie es verstehen würde. Der Berg hat Vorrang vor allem anderen, das hat sie selbst immer gesagt. Sie hat ihn geliebt, den Berg, jede Felsspalte, jeden Stein, jedes noch so kleine Relief. Wenn die Nordlinge ihn in ihre Gewalt bekommen hätten … das hätte alles zerstört, für das sie so sehr gelitten hat.« Alberich wandte sich kurz zu dem Moosfräulein um. »Ich habe ihr erzählt, dass unser Sieg dein Verdienst war.«
    »Aber das ist nicht wahr«, widersprach sie. »Ihr wart es, die den Minenbohrer bis zum Wasser vorgetrieben habt. Ich habe nur …«
    »Unser aller Leben gerettet. Zweimal. Hättest du es nicht getan, wäre all dies jetzt in der Gewalt der Nordlinge. Erst haben sie das Land der Zwerge zerstört, dann mein Volk vernichtet, und sie hätten das Gleiche mit dem Hohlen Berg getan. Dir haben wir zu verdanken, dass es nicht so weit gekommen ist.«
    »Nicht mir. Dem Drachen.«
    Alberich schüttelte den Kopf »Der Drache ist tot. Der Xantener hat ihn erschlagen. Die Magie, die in ihm war, hat nie wirklich ihm gehört, sie war nicht einmal ein echter Teil von ihm. Sie wurde ihm nur für eine Weile anvertraut. Und jetzt ist sie in dir.«
    Geist wusste nicht, was sie darauf entgegnen sollte. Stattdessen rieb sie sich die Oberarme und sagte nach

Weitere Kostenlose Bücher