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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einer Weile: »Manchmal habe ich das Gefühl, dass es hier unten von Tag zu Tag kälter wird.«
    »Es
wird
kälter.« Alberich schaute trübsinnig über die Felswände. »Der Berg liegt im Sterben.«
    Geist schaute ihn verständnislos an, und so fuhr der Horthüter fort: »Ein Großteil seiner Kraft verließ ihn gemeinsam mit den Zwergen. Sie haben ihn zu dem gemacht, was er einst war, sie haben ihm Leben geschenkt. Als sie fortgingen, wurde er schwach und gebrechlich. Niemand kann etwas daran ändern. Und es wird schlimmer werden, wenn der Xantener zurückkehrt und den Hort einfordert.«
    »Wir werden auch ihn besiegen«, sagte Geist, um Alberich aufzumuntern.
    Der Zwerg aber lächelte verbittert. »Siegfried von Xanten hat mich im Kampf bezwungen. Er hat mir die Tarnkappe entrissen und die Fürsten des Nibelungengeschlechts erschlagen. Nun ist er der wahre Herr des Hohlen Berges, Herr über ein sterbendes Reich.« Der Kerzenschein geisterte über Alberichs faltige Züge und ließ ihn noch älter erscheinen. »Vielleicht ist es ja am besten so. Am Ende wird alles, was wir heute tun und getan haben, zwecklos sein.«
    »So darfst du nicht reden«, sagte Geist, aber ihre Empörung war nur schwach angesichts seiner Traurigkeit.
    Alberich schwieg sehr lange, doch dann versuchte er erneut zu lächeln. »Du hast mich gesucht. Warum?«
    »Ich will das Ende der Geschichte hören. Grimmas Geschichte.«
    »Hat dir mein anderes Ende nicht gefallen?«
    »Es war nicht die Wahrheit, alle wissen das. Den anderen ist es egal. Aber ich möchte hören, was wirklich geschah. Erzählst du es mir?«
    Alberich lehnte die Goldgeißel an die Treppe des Podests und ließ sich selbst auf einer Stufe nieder. »Wenn nicht du es verdient hättest, wer sonst?«
    Wie ein Lichtflimmern durchfuhr Geist die Erinnerung an ihre erste Begegnung. Sie war Alberich und den beiden anderen auf ihrer Suche nach dem Leichnam des Drachen gefolgt, erst heimlich, dann an ihrer Seite. Sie hatten damals – und seither – vieles gemeinsam durchgemacht, vieles erlebt. Und doch war es nur selten vorgekommen, dass Geist und der Horthüter allein miteinander waren. In beiden floss das Blut magischer Vorfahren, und doch war es, als wären sie sich in den vergangenen zwei Jahren unbewusst aus dem Wege gegangen.
    »Setz dich zu mir«, forderte Alberich das Moosfräulein auf.
    Geist kam näher, hockte sich mit angezogenen Knien auf eine Treppenstufe. Ihr Blick huschte zu dem Sarkophag empor, der jetzt Ehrfurcht gebietend über ihnen thronte. Sie wollte endlich die eine Frage stellen, die ihr schon die ganze Zeit über auf der Zunge brannte, doch Alberich schien ihre Gedanken zu lesen und legte seinen Zeigefinger an die Lippen.
    Er nickte niedergeschlagen und sagte dann leise. »Es ging nie um das Gold. Immer nur um sie.«
    Tage. Oder Wochen. Monde vielleicht.
    Grimma hatte aufgehört, in zeitlichen Größen zu denken. Zeit war für sie etwas ebenso Verschwommenes geworden wie das ferne Ende der Zwergenstraße, dunkel und diffus, ohne einen Licht- oder Hoffnungsschimmer.
    Seit Styrmirs Tod und dem Fund der Tarnkappe lief sie stetig nach Süden. Frierend fing sie Fische, aß sie roh, und gelegentlich sprach sie mit sich selbst; vorausgesetzt, es gab etwas zu bereden, und das war selten der Fall.
    Das Alleinsein, dachte sie manchmal, hat auch seine guten Seiten. Man muss niemanden in seiner Nähe ertragen. Ist ganz für sich. Ganz ungestört.
    Dabei war sie nicht wirklich einsam. Sie hatte immer noch sich selbst, ihre Gedanken, die mit jedem Aufwachen wirrer wurden, ihre Stimme, die so heiser war, dass sie selbst sie kaum mehr verstehen konnte. Oftmals war gerade das die schlimmste aller Qualen, das Alleinsein mit sich selbst, dem eigenen Ich schutzlos ausgeliefert. Wenn sie diese Erkenntnis besonders heftig traf, zog sie die Tarnkappe über, blickte an sich hinab und dachte: Sieh nur, sie ist weg! Endlich bin ich ganz allein!
    Ihr Leben war zu einem morschen Geflecht aus zwei grauen Fäden geworden. Der eine hieß Schlaf, der andere Laufen. Wenn sie nur lange genug einen Fuß vor den anderen setzte, lange genug sich selbst und die Kälte ertrug, dann würde sie irgendwann ankommen. Im Schutz des Hohlen Berges, bei Thorhâl. Alles würde sein wie früher. Allein dafür lohnte es sich, sich nach jedem Erwachen auf die Beine zu stemmen und weiterzuschleppen, ganz gleich, wie schwer es auch fiel. Denn schon seit einer Weile erschien ihr der Felsboden immer einladender, als

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