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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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weitergegeben. Bansammu sah dem Mädchen zu, wie es das Papier mit den seltsam verschlungenen Linien der Thai-Schrift füllte. Als sie fertig war, brach die Nacht an.
    „Ich bringe den Brief morgen nach Fang", sagte Satchanasai. „Wenn ich zeitig genug aufbreche, kann ich am Abend dort sein. Am nächsten Abend bin ich zurück."
    Bansammu nickte nur, obwohl er sie nicht gern allein den fünfzig Kilometer weiten Weg durch die Berge machen ließ. Von Fang, der nächsten Poststation aus, würde der Brief mindestens noch eine Woche bis Bangkok brauchen. Was mochte bis dahin aus Lo Wen geworden sein?
    Während es dunkelte, kochte Satchanasai eine bescheidene Reismahlzeit. Bansammu dachte daran, dass er am frühen Morgen auf die Mohnfelder hinausgehen musste. Bei dem beschlagnahmten Opium hatte es sich um Gemeinschaftseigentum gehandelt. Wie sollte er nur den Dorfbewohnern den Verlust beibringen? Der Alte strich unruhig durch den großen Raum des Pfahlhauses. Er fasste hier einen Kochtopf an und dort eine Matte, stand herum, ein wenig ratlos, bis Satchanasai zu ihm trat und ihn aufforderte: „Leg dich schlafen, Bansammu. Es wird alles gut werden. Mach dir jetzt keine Gedanken mehr."
    Sie selbst stieg noch einmal die Leiter hinab und lief zur Wasserstelle. Aus den Bergen sickerte ein Rinnsal bis in die Nähe des Dorfes, wo die Bewohner einen Schacht angelegt hatten, in dem sie es auffingen. Satchanasai schöpfte mehrere Eimer voll und trug sie in das Badehaus. Es diente allen. Heute aber war hier niemand außer Satchanasai. Sie warf den verblichenen Sarong ab, dessen einst tiefblaue Farbe die Sonne in ein schmutziges Grau verwandelt hatte. Dann ließ sie sich das Wasser aus den Eimern über den Körper laufen. Sie griff in den Haufen feinen Sandes, der im Badehaus lag, und rieb damit die Haut. Seife gab es nicht, sie war teuer, und man hätte sie aus Chiengmai holen müssen. Darum begnügte man sich mit dem Sand aus den Bergen.
    Als Satchanasai in das Pfahlhaus zurückkam, saß Bansammu immer noch auf seiner Matte, die Gedanken an Lo Wen plagten ihn. Aber er dachte auch daran, dass es heute eigentlich ein kleines Fest hatte geben sollen. Wäre das Missgeschick in Chiengmai nicht passiert, hätte man heute Kaeng Ped Kai gegessen, mit Curry gebratenes Huhn, oder sogar Mee Grob, die scharf gebratenen Nudeln, die Bansammu aus Chiengmai hatte mitbringen wollen. So aber hieß es auf das alles verzichten, denn das Opium war verloren, und sie hatten kein Geld, um Nahrung zu kaufen.
    Satchanasai löschte die Öllampe und legte sich auf ihr Mattenlager. Sie behielt den Sarong an, das war so üblich, denn die Nächte in den Bergen waren stets kühl, aber sie waren wiederum nicht kühl genug um diese Jahreszeit, dass man sich unter die schwere Decke aus Tigerfell hätte verkriechen wollen, die konnte man höchstens während der frühen Morgenstunden ertragen. Das Mädchen hörte noch, wie Bansammu mehrmals aufstand und im Raum herumging, ohne Ruhe zu finden, dann schlief sie ein. Sie wachte auf, als sich der Himmel über den Bergen im Osten gerade rötlich einzufärben begann. Bansammu schlief. Das Mädchen fachte das Kochfeuer an, das vor dem Pfahlhaus noch schwach glimmte, legte ein paar dürre Äste in die Glut und wärmte ein wenig von dem Rest der Abendmahlzeit des vergangenen Tages. Als der Reis leicht angebraten war, rief sie Bansammu, und sie aßen gemeinsam. Dann steckte Satchanasai den Brief in eine Tasche des Sarongs und band einige Mangos und ein wenig Salzgemüse in ein Tuch. Damit brach sie auf. Die Strahlen der Sonne, die über die Berge stieg und mit ihrem Licht die Landschaft überflutete, trafen Satchanasai bereits weit vom Dorf entfernt. Sie ging auf einem steilen Pfad aufwärts, dem ersten Pass zu. Bis Fang würde sie fünf solcher Bergketten zu überwinden haben. Aber zwischen den nackten Felsen stand Wald, und dort war es kühl. Satchanasai kannte den Weg genau. Eine Stunde bevor die Sonne unterging, würde sie nach Fang hinabsteigen. Zeitig genug, um den Brief in der Posthalterei abzugeben. Danach wollte sie ein paar Stunden auf dem Hof einer Karawanserei schlafen, ehe sie den Rückweg antrat.
    Auf Bangkoks Flughafen Don Muang landete in den ersten Morgenstunden des neuen Tages eine vierstrahlige Boeing. Sie kam über Hawaii und Saigon aus den Vereinigten Staaten. Die schwere Maschine rollte langsam aus und blieb unweit der Abfertigungsgebäude stehen. Die Triebwerke heulten noch einmal auf, dann wurden sie

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