Des Satans Schatten
war das etwa einen Meter tiefe, mannsdicke Loch in einer Ecke der Schlafkammer. Eine umgestürzte Truhe mit einem Zwischeneinsatz, aber ohne Boden, lag daneben.
Ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn dies nicht das Versteck war, in dem Rodger und seine Geliebte für seinen Bruder das Geld und die schwer veräußerlichen Pretiosen aufbewahrt hatten, nachdem die Beutestücke zuvor unauffällig von den Kindern der Bande herübergeschafft worden waren. Und in Gelddingen irrt sich euer alter Frederik bekanntlich nie.
Sollte auch dieser Mord dem Sündenregister des Rodger Stapelmann hinzugefügt werden? Dann müsste ihm dafür schon ein gewichtiges Motiv zur Seite stehen, das mir nicht ohne weiteres ersichtlich war. Das Einzige, was mir dazu in den Sinn kam, war die Möglichkeit, dass Grete Dreven das ganze Geld und Gold in ein nur ihr bekanntes Versteck geschafft und ihr ehemaliger Geliebter alles versucht hatte, wieder an die Beute zu kommen, die er für die seine hielt. Eine Überlegung, die ich jedoch sogleich wieder verwarf. Dreven, die immer wieder von Rodger aufgesucht und damit auch kontrolliert worden war, hätte dies nämlich erst dann tun können, als sie von Rodgers Flucht erfahren hatte, die ihr, vermutlich bis zu ihrem Tod, unbekannt geblieben war.
Sicher, es konnte auch so gewesen sein, dass die Dreven während der ganzen Zeit etwas von der Beute für sich abgezweigt hatte. Dieser Gedankengang schien mir aber abwegig angesichts des Umstandes, dass sich Stapelmann auf der Flucht befand und die Zeit zur Rettung des nackten Überlebens viel zu kostbar war, als sie in einer solchen Situation auf einen Teil der Beute zu verschwenden. Wäre das alles ein paar Jahre später geschehen, es hätte mir eingeleuchtet. Aber so?
Ich will an dieser Stelle gerne eingestehen, dass sich ein letzter Rest von Zweifel nicht aus meinen Überlegungen verbannen ließ. Allein, wägte ich die mir bekannten Fakten gegeneinander ab, war es im Endeffekt für mich vordringlich, mich ein wenig näher mit der Person des mir immer mysteriöser erscheinenden Herrn Degusti zu befassen.
Und der Weg, der in dieser Richtung zu beschreiten war, konnte viel besser von einem anderen Mann begangen werden als von mir selbst. Der hierfür wie geschaffene Detektiv war ohne Zweifel mein Freund Johannes Ossenstert. Er, der nach außen stets ein wenig aufwändiges, mitunter bescheiden anmutendes Leben führte, verfügte über beste Beziehungen und einflussreiche Gönner, mit deren Unterstützung er ein Leben in Saus und Braus hätte führen können, liefe dies nicht seinem Naturell zuwider. Er hatte nie viel Aufhebens von seinen Leistungen gemacht, doch war mir nicht unbekannt geblieben, dass er mehr als einmal hochgestellten Persönlichkeiten mit Kenntnis und Geschick aus brenzligen Lagen geholfen hatte. Die Äbtissin, die mehrfach vorstellig geworden war, weil ihre Novizinnen nicht bloß vom Heiligen Geist befallen worden waren. Die reichen Münster’schen Kaufleute, die von ihren Reisen in andere Hansestädte neben kostbaren Waren auch andere Mitbringsel heimgeholt hatten, die besser schnell auskuriert als ihren Eheweibern offenbart werden sollten. Und selbst der fette Franz, Fürstbischof von Münster sowie mein einstiger Herr und Auftraggeber, hatte sich in diesem Sinne des Öfteren seiner Dienste versichert. Sie alle hatten meinen Freund nicht vergessen. Umso weniger, als sie nicht wussten, wann sie das nächste Mal im Geheimen nach ihm schicken mussten.
Diese Verbindungen prädestinierten Ossenstert geradezu für die Aufgabe, die ich ihm zugedacht hatte.
Also eilte ich zur Burg, um meinen alten Kameraden zu instruieren. Und Ossenstert, der zuverlässigste unter meinen Freunden, machte sich ohne Zaudern auf den Weg.
Das Wiedersehen
Die Zeit seiner Abwesenheit wollte ich nicht ungenutzt verstreichen lassen, zumal im Hinblick auf den Zustand von Gretes Leiche in meiner Vorstellung eine Idee Gestalt angenommen hatte, der ich durch letzte Nachforschungen zu dem bislang vorhandenen Skelett noch etwas Schmalz auf die Rippen packen wollte.
Die Hunde des Grafen hatten mir seinerzeit bei der Überführung des Mörders von Conrad Harteveldt treffliche Dienste geleistet. Ich würde mich ihrer erneut bedienen müssen.
Die insgesamt fünf Prachtexemplare trugen die Namen Zeus, Apollon, Ares, Hera und Aphrodite. Ihre Stammväter waren irische Wolfshunde. Doch durch Kreuzungen mit anderen Arten war eine ganz eigene Rasse geschaffen worden,
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