Des Satans Schatten
näher an ihn heran, um nicht laut reden zu müssen, weil ich Anna mit meinen Fragen nicht beunruhigen wollte. Die war jedoch vollauf mit dem Backwerk beschäftigt und machte, nachdem sie es in beachtlicher Geschwindigkeit verzehrt hatte, mit ihrem Singsang und den Fröschchen-Fröschchen-Rufen weiter.
»Ich bin hier, um etwas über genau jenen Herrn Degusti zu erfahren, der mich vor einiger Zeit hierher geführt und mich mit Anna bekannt gemacht hat. Ich muss ihn dringend sprechen, habe ihn jedoch aus den Augen verloren. So hoffte ich, jemand hier würde mir weiterhelfen können, du oder Annas Vater, der reiche und einflussreiche Kaufmann, von dem mir erzählt wurde.«
Bei meinem Gegenüber handelte es sich offenkundig um einen Bauern, der sein Leben mit harter Arbeit fristete und sich nicht wie ein verschlagener Kammerdiener auf das Intrigieren bei Hofe verstand. Deshalb schaute er jetzt aufrichtig verdutzt drein, während er sich angetrocknete Erdkrumen von den Händen klaubte.
»Von dem Herrn Degusti weiß ich nicht viel. Er war vor ein paar Wochen einmal hier, um Anna zu sprechen, weil er, wie er sagte, einem Fall von Hexerei nachzuspüren hätte. Ich bin nur ein unbedeutender Bauer. Wenn ein solcher Herr erscheint, fragt man besser nicht und tut ihm seinen Willen, man weiß ja, wie es einem sonst ergeht. Dann kam er vor kurzem zurück. Ihr wisst es doch, Ihr wart doch dabei. Das war doch der Tag, als nur Stunden zuvor seine Leute hier erschienen, um ihren Herrn zu beschützen, wie sie sagten. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. – Aber was meint Ihr mit dem reich...«
»Moment, nicht so hastig! Willst du damit sagen, dass die drei Wächter nicht immer hier waren, sondern bloß an diesem einen Tag?«
»Genau. Kaum hattet Ihr Euch wieder auf den Weg gemacht, da zogen auch sie ab.«
»Und sie standen auch nicht im Sold von Annas wohlhabendem Vater, sondern gehörten zu Degusti?«
»So ist es. Aber was bringt Euch zu der Annahme, dass Annas Vater ein reicher Kaufmann ist? Er ist ein Schmied aus dem Rheinischen, der hin und wieder hier vorbeischaut und die anfallenden Arbeiten erledigt, Pferde beschlagen, Sensblätter nachhämmern und so, Ihr wisst schon. Dafür versorgen wir seine Tochter, sie ist, wie gesagt, nach dem Unfall wirr im Kopf.«
So fühlte ich mich langsam auch angesichts dieser Neuigkeiten. »Nach einem
Unfall
wirr im Kopf? Ist sie denn nicht Opfer eines ungeklärten Überfalls geworden?«
Jetzt musste der Landmann bei all seinem Unbehagen doch grinsen. »Überfall? Oh nein, die Anna ist als Kind vom Heuboden gefallen und hat sich den Kopf angeschlagen. Das wird nichts mehr mit der, hat der Bader damals gesagt, weil, einen Arzt hatten wir hier nicht. Und er hat Recht behalten.«
Der gute Mann betrieb auf seinem Hof zwar keine Schenke, doch konnte er mit einem scharfen Branntwein dienen, der mir in dieser Situation lieber war als der süffigste Wein. Als ich damit meine kreisenden Gedanken für eine Weile zum Stillstand gebracht hatte, gab ich ihm einen Emdener Taler und machte mich voll dunkler Ahnungen auf den Rückweg unter aufziehenden schwärzlichen Wolken, die meine Stimmung widerspiegelten.
Kein guter Boden
Während mein Pferd auf einem vom Sommergewitter aufgeweichten Pfad zum Haus der Dreven hinüberstapfte, verfluchte ich mich mehr als nur einmal. Was war ich nur für ein toller Detektiv, dem der Jubel der Masse wichtiger war als eine solide Arbeit und der konsequente Abschluss einer Ermittlung. Gut, die wölfischen Oger waren ausgelöscht, die Mörder in der Burg überführt, und Stapelmann konnte als der Bruder des Bandenführers enttarnt werden. Aber warum war ich nicht gleich nach seiner Flucht zu seiner Gefährtin geeilt, um sie zu verhören? Ihr, meine wahren Freunde, werdet euch die Antwort denken können, und weil Ihr nicht nur gnädig und verständnisvoll, sondern überdies verschwiegen seid, vertraue ich auf euren Verzicht, mich vor anderen einen eingebildeten, leichtfertigen und überheblichen Gecken zu heißen. Aber glaubt mir, die eigene ehrliche Erkenntnis, ein solcher zu sein, schmerzt allemal genug.
Dass ich nun trotz des strömenden Regens versuchte, die Versäumnisse der Vergangenheit auszubügeln, indem ich unverzüglich nach meiner Rückkehr und der Auskunft des Wirtes, man habe Grete Dreven im Dorf zuletzt zwei Tage nach der Zerschlagung der Wolfsbande gesehen, zum Haus von Stapelmanns Geliebter ritt, mag mehr damit zu tun haben, meine Wut auf mich
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