Des Teufels Werk
schwierigen Position – mehr Beobachter als Berater – und war nur noch zwei Wochen im Land, weil sein Dienstauftrag auslief. Hinzu kam, dass die Jugendlichen mit ihren Aussagen zum Tathergang ihr Schicksal selbst besiegelten. Dennoch blieb Alan skeptisch.
»Sie waren gar nicht vernehmungsfähig«, erzählte er mir. »Amies Vater und Brüder hatten sie brutal zusammengeschlagen. Sie hätten alles gesagt, was die Polizei von ihnen hören wollte, nur um nicht noch einmal so eine Abreibung zu kassieren.«
Auch die Leichen gaben ihm zu denken. »Ich war an zwei Tatorten«, sagte er, »und weder im einen noch im anderen Fall sah es mir nach mehreren Tätern aus. Die Frauen hockten, als man sie fand, zusammengekauert in einer Zimmerecke, beide mit furchtbaren Schnittwunden an Kopf und Schultern und Abwehrverletzungen an den Armen. Ich hatte den Eindruck, dass sie versucht hatten, sich vor einem Einzeltäter zu schützen, der von vorn angriff. Mehrere Täter wären von allen Seiten auf sie eingedrungen.«
»Können Sie etwas tun?«
»Wenig. Seit die jungen Männer gestanden haben, interessiert sich niemand mehr für sie. Ich habe einen Bericht geschrieben und auf die Ungereimtheiten hingewiesen, aber in Freetown gibt es kaum Ärzte, geschweige denn Gerichtsmediziner.« Er lächelte trübe. »Man scheint allgemein der Ansicht zu sein, dass sie ihre Strafe verdient haben. Schließlich gibt es ja keinen Zweifel, dass sie die kleine Amie entführen wollten.«
»Angenommen Sie haben Recht – wird der Mörder nicht wieder zuschlagen? Und wird das dann die jungen Männer nicht entlasten?«
»Das kommt darauf an, wer er ist. Wenn es ein Einheimischer ist, dann kann man damit rechnen – aber wenn er zum Ausländerkontingent gehört …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich vermute, dann wird er sein Betätigungsfeld anderswohin verlegen.«
Dieses Gespräch bestärkte mich in meinem Verdacht gegen John Harwood. Als man mich in Paddy's Bar, einem Nightclub in Freetown, das erste Mal auf ihn aufmerksam machte, wusste ich sofort, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte. Ich überlegte, ob es 1998 in Kinshasa gewesen war, als ich über den Bürgerkrieg im Kongo berichtete. Damals war er, soweit ich mich erinnerte, in Uniform gewesen – beinahe mit Sicherheit ein Söldner, denn die britische Armee hatte sich aus diesem Konflikt herausgehalten –, und er hatte einen anderen Namen getragen.
Im Frühjahr 2002 in Sierra Leone trat er in Zivil auf, und ihm ging ein übler Ruf voraus. Dreimal sah ich mit eigenen Augen, wie er dort in Prügeleien verwickelt war, und Berichte von weiteren kamen mir zu Ohren, aber den Schaden hatten immer die anderen. Er war gebaut wie ein Terrier – mittelgroß, drahtig und muskulös, kräftiger Nacken und kräftige Arme – und genauso bissig, wenn er jemanden in der Mache hatte. Die meisten Ausländer gingen ihm aus dem Weg, erst recht wenn er getrunken hatte.
In dieser Zeit wimmelte es in Freetown von Ausländern. Die UNO koordinierte die Bemühungen, das Land wieder auf die Beine zu bringen, und die meisten Ausländer waren für die internationale Presse, nichtstaatliche Organisationen, Kirchen oder Welthilfsorganisationen tätig. Einige, wie Harwood, hatten private Verträge. Er war als Chauffeur und Leibwächter bei einem libanesischen Geschäftsmann angestellt, von dem gemunkelt wurde, er sei an einer Diamantenmine beteiligt. Von Zeit zu Zeit verschwanden die beiden mit schwer gepanzerten Koffern ins Ausland, also waren die Gerüchte wahrscheinlich wahr.
Auch ich ging dem Mann tunlichst aus dem Weg. Das Leben war zu kurz, um sich mit Außenseitern einzulassen, die sich ständig angegriffen fühlen. Einmal allerdings bin ich direkt an ihn herangetreten. Ich wollte mir von ihm ein Interview mit seinem Arbeitgeber vermitteln lassen. Diamanten waren in der Zeit nach dem Bürgerkrieg ein heißes Thema. Die ungeklärten Fragen, wem die Minen gehörten und wohin das Geld floss, erhitzten in Sierra Leone seit Jahrzehnten die Gemüter. Dem Land jedenfalls kam nichts von dem Reichtum zugute, und die Wut der Menschen über ihre hoffnungslose Armut war der Funke gewesen, an dem sich der Bürgerkrieg entzündet hatte.
Wie vorauszusehen, kam ich nicht einmal in die Nähe von Harwoods Arbeitgeber, aber ich führte ein kurzes Gespräch mit Harwood selbst. Da keine der einheimischen Frauen bereit war, für ihn zu kochen oder zu putzen, fand man ihn abends meistens in Paddy's Bar, wo er einsam beim Essen
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