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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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redete wie ein Thesaurus. Zu viele Jahre schriftlicher Berichte.
    »Captain, ich glaube nicht, dass das nötig sein wird«, sagte LaGuerta.
    Er zwinkerte und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    Menschenführung ist eine Gabe. »Entspannen Sie sich, Detective. Ihr Vorrecht, die Ermittlungen zu leiten, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Sie wird sich nur dann bei Ihnen melden, wenn sie etwas zu berichten hat. Zeugen, diese Art Dinge. Ihr Vater war ein verdammt guter Polizist. In Ordnung?« Sein Blick wurde glasig und konzentrierte sich dann auf etwas am anderen Ende des Parkplatzes. Ich schaute hin. Der Übertragungswagen von Channel 7 rollte heran. »Entschuldigen Sie mich«, sagte Matthews. Er richtete seine Krawatte, setzte ein ernstes Gesicht auf und schlenderte hinüber.
    »Puta«, fluchte LaGuerta leise.
    Ich wusste nicht, ob diese Bemerkung eher genereller Natur war oder ob sie sich auf Deb bezog, aber ich hielt es ebenfalls für eine gute Gelegenheit, mich davonzumachen, bevor Detective LaGuerta wieder einfiel, dass Officer Puta meine Schwester war.
    Als ich mich wieder zu Deb gesellte, schüttelte Matthews gerade Jerry Gonzalez von Channel 7 die Hand.
    Jerry war Miamis führender Vertreter des Blut-und-Tote-bringen-Quote-Journalismus. Mein Lieblingstyp.
    Dieses Mal würde er eine Enttäuschung erleben.
    Ein leichter Schauer durchfuhr mich. Überhaupt kein Blut.
    »Dexter«, sagte Deborah und versuchte dabei wie ein Cop zu klingen, aber ich wusste, wie aufgeregt sie war.
    »Ich habe mit Captain Matthews gesprochen. Er lässt mich mitmachen.«
    »Hab ich gehört«, erwiderte ich. »Sei vorsichtig.«
    Sie zwinkerte. »Wie meinst du das?«
    »LaGuerta«, sagte ich.
    Deborah schnaubte. »Die«, sagte sie.
    »Ja. Die. Sie mag dich nicht, und sie will nicht, dass du ihr ins Gehege kommst.«
    »Pech. Sie hat ihre Befehle vom Captain.«
    »Mhm. Und sie hat bereits fünf Minuten damit verbracht, darüber nachzudenken, wie sie die umgehen kann. Pass lieber auf, Debs.«
    Sie zuckte nur die Achseln. »Was hast du herausgefunden?«, fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Noch nichts. LaGuerta ist mit ihrem Latein am Ende. Aber Vince meinte …« Ich hielt inne. Darüber auch nur zu reden schien mir zu intim.
    »Vince meinte was?«
    »Nur eine Kleinigkeit, Debs. Ein Detail. Wer weiß schon, welche Bedeutung es hat.«
    »Niemand, wenn du nicht damit herausrückst, Dexter.«
    »Es … es scheint kein Blut mehr in der Leiche zu sein. Überhaupt kein Blut.«
    Deborah schwieg einen Augenblick nachdenklich. Kein ehrfürchtiges Schweigen wie bei mir. Nur nachdenklich.
    »Okay«, sagte sie schließlich. »Ich gebe auf. Was bedeutet das?«
    »Zu früh, um etwas dazu zu sagen«, sagte ich.
    »Aber du glaubst, dass es eine Bedeutung hat?«
    Es bedeutete ein leichtes Schwindelgefühl im Kopf. Den einsetzenden Drang, mehr über den Killer herauszufinden. Es bedeutete ein zustimmendes Kichern des Dunklen Passagiers, der so bald nach dem Priester eigentlich hätte schweigen müssen. Aber das konnte ich Deborah wohl kaum erklären, nicht wahr? Deshalb sagte ich nur:
    »Könnte sein, Deb. Wer weiß das schon so genau?«
    Sie musterte mich einen halben Moment lang scharf, dann zuckte sie die Achseln. »Gut, okay«, meinte sie.
    »Sonst noch was?«
    »Oh, eine ganze Menge«, antwortete ich. »Sehr saubere Arbeit mit der Klinge. Die Schnitte sind beinah chirurgisch. Wenn sie nichts im Hotel entdecken, was auch niemand erwartet, wurde die Leiche woanders getötet und hier entsorgt.«
    »Wo?«
    »Sehr gute Frage. Gute Polizeiarbeit besteht zur Hälfte aus dem Stellen der richtigen Fragen.«
    »Die andere Hälfte besteht aus Antworten.«
    »Na dann. Niemand kennt bis jetzt das wo, Deb. Und ich habe natürlich auch nicht alle forensischen Daten –«
    »Aber du beginnst, ein Gefühl dafür zu entwickeln«, beschwor sie mich.
    Ich sah sie an. Sie erwiderte meinen Blick. Ich hatte schon zuvor Eingebungen gehabt. Ich hatte in der Hinsicht einen gewissen Ruf. Meine Ahnungen waren häufig zutreffend. Und warum auch nicht. Oft weiß ich, wie die Mörder denken. Ich denke genauso. Natürlich behielt ich nicht immer Recht. Und ich wollte auch nicht, dass die Polizei jeden Serienmörder erwischte, der dort draußen sein Unwesen trieb. Was für ein Hobby sollte ich mir dann zulegen? Aber dieser hier – welche Richtung sollte ich in dieser spannenden Eskapade einschlagen?
    »Sag es mir, Dexter«, drängte Deborah. »Hast du irgendwelche

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