Desperado der Liebe
ebenso wohlhabend und einflußreich wie ihr Großvater und ihr angetrauter Mann?
Ein Kugelhagel, der dicht an ihr vorbeistrich, ließ Araminta zusammenfahren und machte ihr bewußt, wie gefährlich es für sie hier draußen auf dem Balkon war. Wie töricht von ihr, überhaupt hinausgegangen zu sein! Rasch zog sie sich in ihr Zimmer zurück, schloß die Flügeltüren und legte mit Mühe den eisernen Riegel vor. Im selben Moment erschrak sie, als die Fensterrahmen urplötzlich zu beben begannen, als würde das ganze Haus wackeln und einstürzen. Dann vernahm sie ein schreckliches Krachen, als Holz auf Holz schlug; das Geräusch drang von unten zu ihr herauf, und sie wußte, daß die Bandoleros mit einem Rammbock die Eingangstür aufzubrechen versuchten. Warum nur? fragte sie sich. Die Desperados hatten doch bereits Zugang durch den Ballsaal; wahrscheinlich drängten sie sich schon mordend und brandschatzend auf den Fluren des Hauses.
Araminta war nicht feige. Aber hier in ihren Gemächern war sie sich ihrer Weiblichkeit und Verletzlichkeit so gewahr wie noch nie. In ihrer Furcht, vergewaltigt und umgebracht zu werden, sehnte sie sich nun nach einer Waffe, einer Pistole oder einem Messer. Doch alles, was ihr zur Verfügung stand, war ein massiver, metallener Kerzenständer, der notfalls ausreichen mußte. Mit diesem Notbehelf von Waffe in der Hand zog sie vorsichtig den Schlüssel aus dem Schloß ihrer Schlafzimmertür und kniete sich hin, um einen Blick durch das Schlüsselloch hinaus auf den Korridor zu werfen. Obwohl sie niemanden dort sah, nagte die Angst an ihr, und sie wagte es nicht, die Tür zu öffnen. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen. Was, wenn jemand Hilfe brauchte?
Seltsamerweise verspürte Araminta keine Sorge um ihren Großvater oder ihren Mann. Die Ehrfurcht, die beiden Männern in West-Texas entgegengebracht wurde, war so groß, daß es sie nahezu unbesiegbar machte. Es war schlicht unvorstellbar, daß einer von beiden tatsächlich niedergestreckt werden könnte. Aber sie mußte an die Gäste und Bediensteten denken, und so lange, bis sie auf der Ranch ihres Mannes residierte, war sie noch immer die Herrin im Haus ihres Großvaters. Es war ihre Pflicht, so sagte sie sich, nach denen zu schauen, für die sie die Verantwortung trug.
Araminta war derart gefangen in ihrem inneren Widerstreit, daß sie gar nicht die Schritte schwerer Stiefel auf dem Balkon gehört hatte. Als plötzlich eine Scheibe der Flügeltüren eingeschlagen wurde, wirbelte sie bei dem ohrenbetäubenden Krach keuchend herum und erblickte draußen auf dem Balkon zwei Bandoleros. Einer der beiden war gerade dabei, mit dem Knauf seiner Pistole die restlichen Glasstücke aus dem Rahmen zu schlagen, dann langte er hinein und öffnete die Verriegelung. Jeden Moment würden die beiden Banditen bei ihr im Zimmer sein. Der Kerzenhalter würde ihr gegen die Eindringlinge nicht helfen. Mit aller Kraft schleuderte sie ihn in Richtung der Flügeltüren und traf die Hand des Mannes, der sich am Riegel zu schaffen machte. Knurrend und fluchend zog er seine Hand zurück und warf einen wütenden Blick durch die zertrümmerte Scheibe. Araminta zögerte keinen Moment und wandte sich zur Tür ihres Schlafzimmers um. Der Schlüssel! Wo war der Schlüssel? Sie hatte ihn doch herausgezogen... aber wo hatte sie ihn nur hingelegt?
Hektisch suchte sie nach dem Schlüssel, als plötzlich hinter ihr die Flügeltüren nachgaben und aufschwangen. Als einer der Bandoleros ins Zimmer drang, schlossen sich ihre Finger um den Schlüssel. Vor Schreck aufschreiend, steckte Araminta den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn heftig, kam blitzschnell auf die Beine, riß die Tür auf und stürmte auf den Flur hinaus.
Sie hörte Stiefelpoltern hinter sich und das Klirren mexikanischer Sporen, als die beiden Männer ihr über den Korridor nachjagten. Fast meinte sie, den heißen, keuchenden Atem ihrer Verfolger, der sich mit ihrem Keuchen verband, im Nacken zu spüren. Ihr Mut sank, weil sie wußte, daß sie kaum eine Chance hatte, ihnen zu entkommen, vor allem nicht in ihrem Brautkleid. Tränen rannen ihr über das Gesicht, während sie rannte und rannte. Sie hatte nicht genug Luft, um um Hilfe zu schreien.
Doch irgendwie schaffte sie es bis zur Treppe. Zitternd stolperte sie die Stufen hinab, hielt nur kurz auf dem Absatz auf halber Höhe inne, als die Eingangstür schließlich unter den Stößen des Rammbocks nachgab und die Banditen johlend und jubelnd
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