Desperado der Liebe
dies bei einem Telegramm möglich war - niemand erwartete langatmige Höflichkeitsfloskeln darin -, und die Gründe ihres Großvaters, weshalb er wünschte, sie möge zu ihm nach Texas kommen, waren gewiß einleuchtend. Dennoch wurde Araminta diesen plagende nagenden Zweifel nicht los.
Ihr Großvater Noble Winthrop, Großgrundbesitzer und Rinderbaron, war einer der wohlhabendsten und mächtigsten Männer im Bundesstaat Texas,- und sein Einfluß reichte gar bis in die höchsten Regierungskreise in Washington. Araminta war noch ein Kind gewesen und wie benommen vor Kummer, als sie ihren Großvater das letzte mal gesehen hatte, und entsprechend vage waren ihre Erinnerungen an ihn. Die Furcht und die Verachtung für ihn waren jedoch so lebendig, als wäre es gestern gewesen. Sie erinnerte sich an ihn als einen hochaufgeschossenen Mann mit kurzem weißen Haar, das einer Glatze wich, mit buschigen weißen Brauen und einem Schnurrbart, einer Hakennase und dunkelgrauen Augen, so dunkel wie das Metall von Gewehren, und mit einem Blick, so bohrend und eindringlich wie der eines Adlers. Sein Umgang mit Kindern war nie sonderlich herzlich gewesen, wenngleich ein Enkelsohn wohl ganz gewiß seine Zuneigung gewonnen hätte, vielleicht sogar seine Liebe. Für seine Enkeltochter jedoch - wann immer er an sie erinnert wurde - hatte er nur Verachtung übrig. Araminta war es nur recht gewesen, daß er sie nicht weiter beachtete, und weil sie wußte, wie leicht sein Temperament mit ihm durchging, war sie ihm möglichst aus dem Weg gegangen.
Ihre lebendigste Erinnerung an ihn war jener Tag, als er sich mit seinem einzigen Sohn Preston, ihrem Vater, endgültig zerstritten hatte. Araminta war damals sieben Jahre alt gewesen und verstand nicht, worum es bei dem schrecklichen Streit zwischen den beiden Männern ging, den sie ungewollt mit anhörte. Sie wußte nur, daß ihr Vater danach mit ihr und ihrer Mutter Hals über Kopf die High Sierra verließ und schwor, nie mehr zurückzukehren. Erst viele Jahre später verstand Araminta die Bedeutung der haßerfüllten Worte, die zwischen Vater und Sohn an jenem schicksalhaften Tag gefallen waren, und sie begriff, daß es der Umstand, daß ihre Mutter keine weiteren Kinder mehr gebären konnte, gewesen war, was Noble Winthrops inbrünstiger Hoffnung auf eine Dynastie durch seinen Sohn ein Ende bereitet hatte. Selbst jetzt, als sie müde die Augen schloß, konnte Araminta den gräßlichen Disput zwischen Vater und Sohn in den Ohren klingen hören, so als wäre sie wieder ein Kind.
»Ich hätte deine unfruchtbare Mutter davonjagen oder mich von ihr scheiden lassen sollen, als ich erfuhr, daß sie keine Kinder mehr bekommen kann, Preston. Verdammt sollen sie sein, diese milchgesichtigen, schmalhüftigen Weibsbilder!
Taugen nicht zum Kinderkriegen. Ich hab versucht, es dir zu sagen, als du Katherine geheiratet hast, aber du wolltest ja nicht hören. Hast dir eingebildet, du wüßtest alles besser!« Und: »Mach nicht denselben Fehler wie ich, mein Sohn. Opfere dich nicht für eine Frau auf. Am Ende verachten sie dich nur für alles!« Und: »Meine Güte, nachts sind alle Katzen grau, du Dummkopf!« Das waren nur einige der häßlichen Worte, die Noble an jenem Tag seinem Sohn an den Kopf warf. Doch Preston Winthrop liebte seine Frau und weigerte sich vehement, sich von ihr zu trennen; lieber nahm er es in Kauf, High Sierra für immer zu verlassen und ohne einen Penny von seinem Vater zu leben.
Weil er wußte, wie weit Nobles Einfluß reichte, ging Preston mit seiner Familie so weit von Texas fort wie möglich - nach New York City. Er besaß noch, was seine verstorbene Mutter ihm hinterlassen hatte, eine Erbschaft, die ihm sein Vater weder vorenthalten noch streitig machen konnte, und sein familiärer Background sorgte dafür, daß sich ihm Türen öffneten, die jedem anderen verschlossen geblieben wären. Er besaß den Geschäftssinn seines Vaters, und mit der Zeit gelang es Preston, durch zahlreiche Investitionen und Anteile an den unterschiedlichsten Firmen und Unternehmungen ein kleines Vermögen zu machen; Geld, das er liebend gern für seine Frau und seine Tochter ausgab. Und so war die Familie, abgesehen von dem gelegentlichen Gedanken, was Noble wohl ausheckte, um seinem Sohn Steine in den Weg zu legen, wohlhabend, glücklich und eng verbunden. Doch dann ereignete sich ohne Warnung eine Tragödie. Eines Abends, fröhlich von einer Party heimkehrend, kamen Aramintas Eltern bei einem
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