Deus Ex Machina - Teil 1: Thriller
auffällig verhalten hat?“, erwiderte Lohoff. „Ob wir ihm einen Mord zutrauen?“ Seine Finger verkrallten sich ineinander. Er ließ die Schultern hängen. „Gottverdammt – warum haben Sie uns dieses Videotape gezeigt?“
„Ich hätte Sie vorwarnen müssen“, sagte Rensing. „Bitte entschuldigen Sie, wenn der Anblick Sie schockiert hat.“
Beekmann ließ die Szenerie vor seinem geistigen Auge Revue passieren: Frank Laurenz auf einem Schreibtischstuhl sitzend. Leere, blutunterlaufene Augen. Die Haare in Strähnen auf dem femininen Gesicht verklebt. Die Gesichtszüge eingefallen, mit tiefen Schatten unter den Wangenknochen. Schon zu Beginn der Aufnahme durchtrennt er sich mit einem Teppichmesser die Pulsadern an beiden Handgelenken. Mit jedem Satz scheint der Lebenssaft stoßweise aus seinem Porzellankörper zu sprudeln.
Beekmann hinkte zurück zu seinem Platz. „Sie hoffen doch nicht etwa, die Motive für diese Geschehnisse in Laurenz´ akademischen Umfeld zu finden?“ Er setzte sich ächzend. „Das ist absurd.“
„Laurenz´ Tonfall in der Videoaufnahme ist aggressiv. Seine herablassenden Kommentare zur Studentenschaft erwecken den Eindruck, dass er einen Niveau- und Werteverfall anprangern wollte.“ Rensing wandte sich wieder Lohoff zu. „Sie sehen erschöpft aus. Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen lassen, Professor?“
„Doktor“, nuschelte Lohoff kaum hörbar.
„Verzeihung?“
„Mein akademischer Grad ist der eines Doktors. Ich habe lediglich promoviert.“
„Kann ja noch kommen, oder?“ Rensing beugte sich vor, um seine Unterlagen einzusehen – auf der Suche nach Lohoffs Geburtsdatum. „Wie alt sind Sie? Fünfunddreißig?“
„Hören Sie, Rensing, ich lege keinen Wert darauf, mit Titel angeredet zu werden. Sie haben uns gerade einen Studenten in einem entsetzlichen Stadium geistiger Umnachtung vorgeführt. Ja, verdammt – Sie hätten uns vorwarnen müssen!“
„Beruhigen Sie sich, Jan. Wir sind alle ein wenig gereizt.“ Beekmann legte seinem Kollegen eine Hand auf den Arm. „Die Polizei ersucht uns lediglich um Assistenz.“
Die väterliche Geste ließ Lohoff kaum merklich zurückzucken.
„Ich mache nur meinen Job, Doktor “, wies Rensing den jungen Akademiker zurecht. „Und ich lehne mich ziemlich weit aus dem Fenster, indem ich Zivilpersonen Beweismaterial vorführe. Wäre nett, wenn Sie das ein wenig zu schätzen wüssten.“
„Ich besorg uns mal Kaffee, Martin“, sagte Hagner und quetschte seine Kippe in den überquellenden Aschenbecher auf dem Tisch. Seinem verschmitzten Grinsen nach zu urteilen, hatte ihm Rensings Machtdemonstration gefallen.
Ein Filter kokelte. Die aufsteigende Rauchfahne kräuselte sich in der Zugluft. Rensing langte nach seinen Unterlagen. „Ihr Name ist Jan Lohoff. Geboren am 16.08.1976 in Koblenz. Ledig. Keine Kinder. Wohnhaft Maximilianstraße 14, Münster.“ Er sah mit hochgezogenen Brauen von den Papieren auf. „Ist das richtig?“
Keine Reaktion.
„Sie lehren seit dem Wintersemester 2006/2007 an der Wilhelms-Universität“, fuhr Rensing unbeirrt fort. „Wie haben Sie Frank Laurenz kennen gelernt?“
Lohoff stand auf. „Frank hat einige meiner Seminare belegt“, begann er und schleppte sich träge, als bremse ein Widerstand seine Schritte, zum offenen Fenster hinüber. „Später hat er mich gebeten, ihn bei seiner Dissertation zu betreuen. Frank ist ... er war äußerst begabt.“
„Ist das für einen Studenten so ungewöhnlich?“
Lohoff wirbelte herum. In seinem Blick spiegelten sich Verachtung und Unglaube wieder. „Das Klischee der arbeitsscheuen, Partys feiernden Schmarotzer können Sie sich sparen.“ Er durchquerte den Raum und betrachtete den Wandkalender neben der Tür. „Dieses Vorurteil ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Abende kellnernd in schäbigen Kneipen verbringen, um sich ein nicht minder schäbiges Zimmer leisten zu können. Die meisten Studenten sind durchaus zielstrebig in dem, was sie tun“.
„Frank Laurenz hatte keine so hohe Meinung von seinen Kommilitonen.“ Rensing zog seine Aufzeichnungen zu Rate. Den Text der Aufnahme hatte er sich wohl abtippen lassen. „Wie hat er sich nochmal ausgedrückt … ? Ah, ja: ‚Einfältige Drohnen, die jedem, der ihnen eine Daseinsberechtigung vorgaukelt, in blindem Gehorsam folgen.‘“
„Natürlich gibt es an der Universität auch die Unentschlossenen und Orientierungslosen.“ Lohoff wandte sich zu Rensing um. „Frank gehörte nicht
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