Deutsche Geschichte
Hölle noch war die DDR ein sozialistisches Paradies – allenfalls für die führende Klasse aus hohen Funktionären. Für sie gab es große Wohnungen, luxuriöse Ferienhäuser und Konsumgüter, von denen die Normalbürger nur träumen konnten. Doch immer mehr Menschen wollten nicht ihr ganzes Leben lang nur von den versprochenen Segnungen des Sozialismus träumen. Sie wollten mehr. Noch aber gelang es den staatlichen Kräften, Oppositionelle zum Schweigen zu bringen.
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben
Der »Wandel durch Annäherung« wurde Ende der Siebzigerjahre unterbrochen, weil sich die »Großwetterlage« wieder einmal verschlechterte. Und als die Sowjetunion Ende 1979 ihre Truppen im blockfreien Afghanistan einmarschieren ließ, war das Ende der Entspannung erreicht. Die östliche Supermacht versuchte mit gewaltigem Einsatz, ihre Macht auf ein Gebiet außerhalb ihres Blockes auszudehnen. Das wollte die westliche Supermacht nicht hinnehmen und drohte mit Konsequenzen. Eine neue Phase des Rüstungswettlaufs begann. Der seit 1981 regierende amerikanische Präsident Ronald Reagan nannte die Sowjetunion das »Reich des Bösen« und wollte sie »totrüsten«. Die Sowjetunion machte diesen neuen Rüstungswettlauf ein paar Jahre lang mit und geriet dabei in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Doch erst als ein Generationswechsel in der Kommunistischen Partei 1985 den jungen Michail Gorbatschow an die Macht brachte, wurde dieser Rüstungswahnsinn beendet.
Gorbatschow wollte die hohen Rüstungskosten senken, um mehr Mittel für Reformen einsetzen zu können. Denn dass die Sowjetunion reformiert und erneuert werden musste, stand für ihn außer Frage. »Perestroika« (Umgestaltung) und »Glasnost« (Offenheit) hießen die Schlagworte, die bald in aller Munde waren. Aber Gorbatschows Reformen gingen seinen Kritikern nicht weit genug. Sie warfen ihm vor, die Umwandlung der Plan- in die Marktwirtschaft zu verhindern und sich weiterhin auf die alten Kader in Staat, Partei und Militär zu stützen.
In der Tat befand sich Gorbatschow in einem Dilemma: Er wollte die Sowjetunion durch eine »Revolution von oben« modernisieren und zu einer wettbewerbsorientierten Leistungsgesellschaft machen, ohne jedoch den Führungsanspruch der Kommunistischen Partei und die staatliche Kontrolle der Wirtschaft aufzugeben. Aber die Reformgeister, die er gerufen hatte, wurde er nicht mehr los. Schneller als das irgendjemand für möglich gehalten hätte, fiel das Machtmonopol der Kommunisten. In der Folge erlaubte die Sowjetunion auch den »sozialistischen Bruderländern«, ihre eigenen Wege zu gehen, ohne sich vor militärischen Interventionen fürchten zu müssen.
In diesem veränderten Klima riefen auch die bislang unterdrückten Oppositionsgruppen in den anderen Staaten Osteuropas immer lauter nach Reformen. Innerhalb kürzester Zeit brachen erst in Polen und Ungarn, später auch in der Tschechoslowakei die alten Regime zusammen.
Die DDR-Führung mit Erich Honecker an der Spitze aber wehrte sich vehement gegen Reformen. Für sie waren »Perestroika« und »Glasnost« nichts anderes als Zeichen der Schwäche. Honecker und seine Genossen erkannten die Zeichen der Zeit nicht. »Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!«, rief der bornierte Staats- und Parteichef noch in die Welt hinaus, als die sozialistischen Bruderländer längst auf dem Weg zur Demokratisierung von Staat und Gesellschaft waren. Während die SED pompöse Feiern zum 40. Geburtstag des »Ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden« vorbereitete, ließen die Tschechoslowakei und Ungarn es zu, dass zehntausende DDR-Bürger über ihre Grenzen in den Westen flohen. Andere blieben und demonstrierten friedlich für politische und wirtschaftliche Reformen.
Die Demonstranten in der DDR wurden zunächst noch niedergeknüppelt und verhaftet. Doch mit ihrer starren Haltung förderte die Staats- und Parteiführung nur das Anwachsen der Protestbewegung. Selbst Gorbatschows mahnende Worte »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben« stießen bei Honecker auf taube Ohren. Als dann im Herbst 1989 mächtige Demonstrationszüge durch Leipzig, Dresden, Ostberlin und andere Städte zogen, wurde im SED-Politbüro ernsthaft darüber diskutiert, ob man wie 1953 Panzer gegen das eigene Volk rollen lassen sollte. Warum das letztlich nicht geschah, ist bis heute noch ungeklärt. Ein wichtiger Grund dürfte gewesen sein, dass der sowjetische
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