Deutsche Geschichte
leichter zu verlangen als auszuführen war. Denn trotz des Fleißes der ostdeutschen Bevölkerung erwies sich die zentral verwaltete Planwirtschaft als zu schwerfällig. Das zeigten Menschenschlangen vor Geschäften und Waren minderer Qualität überdeutlich. So hatten sich die Menschen den Sozialismus nicht vorgestellt. Als dann die SED am 28. Mai 1953 auch noch die Arbeitsnormen um 10% erhöhte, entlud sich die Unzufriedenheit in Massenstreiks. Dabei verlangten die Arbeiter zuerst nur die Rücknahme der Normerhöhung. Doch bald wurden die Ablösung Ulbrichts, die Beseitigung der Zonengrenze und freie Wahlen gefordert.
Die Führung des »Arbeiter- und Bauernstaates« war der sich schnell zuspitzenden Lage nicht gewachsen und rief die Sowjetunion zu Hilfe. Am 17. Juni 1953 walzten sowjetische Panzer den Aufstand nieder.
Die Menschen in der DDR hatten vergeblich auf Unterstützung und Hilfe aus dem Westen gehofft: Die Westmächte beließen es bei Protesten und machten damit deutlich, dass Ostdeutschland für sie genauso zum Ostblock gehörte wie Westdeutschland zum Westen.
Die meisten Menschen in der DDR waren enttäuscht, ergaben sich resigniert ihrem Schicksal und versuchten sich so gut im SED-Staat einzurichten, wie es eben ging. Wer das nicht wollte oder konnte, flüchtete in den Westen. Von 1949 bis 1961 waren das mehr als 2,5 Millionen Menschen, davon die Hälfte junge, gut ausgebildete Arbeiter und Akademiker. Durch diesen menschlichen Aderlass verlor die DDR gerade solche Bürgerinnen und Bürger, die sie zum Aufbau eines leistungsfähigen Staates besonders gebraucht hätte. Und die Welt konnte sich jeden Tag erneut davon überzeugen, dass vielen Menschen eine unsichere Zukunft im westlichen Kapitalismus lieber war als eine sichere Zukunft im »real existierenden Sozialismus«, wie man in der DDR inzwischen sagte. Dass die Führungen in Moskau und Ostberlin darüber nachdachten, wie sie diese »Abstimmung mit den Füßen« beenden könnten, war nicht verwunderlich. Doch wie sie es dann taten, überraschte und schockierte die Welt: In der Nacht zum 13. August 1961 verbarrikadierten bewaffnete Einheiten die Grenzübergänge von Ost- nach Westberlin mit Stacheldrahtverhauen, rissen Straßen auf und unterbrachen die S- und U-Bahn-Verbindungen. In den folgenden Tagen und Wochen ließ die SED-Führung eine 12 km lange Mauer zwischen Ost- und Westberlin bauen.
Die Westmächte reagierten zurückhaltend und betrachteten den Mauerbau als »Vorgang innerhalb des sowjetischen Machtbereichs«. Zu gefährlich erschienen ein Eingreifen oder auch nur Drohgebärden im Kalten Krieg der Großmächte. Bundeskanzler Adenauer blieb in Bonn und zeigte sich nicht in Berlin, was ihm vor allem die Berliner übel nahmen.
Noch während die Mauer gebaut wurde, wagten etwa 7000 Ostdeutsche die Flucht nach Westberlin.
Nach dem Bau der Berliner Mauer wurde auch die 1400 km lange Grenze zur Bundesrepublik systematisch dicht gemacht. In einem »Todesstreifen« wurden Minen gelegt und Selbstschussanlagen installiert. Die Grenzsoldaten bekamen den Befehl, auf »Republikflüchtlinge« zu schießen. Trotzdem wagten immer wieder Menschen die Flucht, und mehr als 800 von ihnen bezahlten ihren Wunsch nach Freiheit mit dem Leben.
Der »antifaschistische Schutzwall«, wie die Mauer in der SED-Propaganda genannt wurde, führte zu einer wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes. Bald hatte die DDR den höchsten Lebensstandard im Ostblock und wurde zu einer der führenden Industrienationen. Dennoch betrachteten viele Bürger die DDR nicht als ihren Staat; angesichts der geschlossenen Grenze sahen sie jedoch kaum eine andere Möglichkeit, als sich mit ihm zu arrangieren.
Mehr Demokratie wagen
Seit neben den USA auch die Sowjetunion Atomwaffen besaß, konnte keine der beiden Großmächte mehr einen Krieg beginnen, ohne die eigene Vernichtung zu riskieren. Trotzdem ließen beide nichts unversucht, um ihren Machtbereich auszudehnen. Als die Sowjetunion 1962 im sozia-listischen Kuba, also »vor der Haustür« der USA, Raketen stationierte, drohte sogar der dritte Weltkrieg. 13 Tage lang hielt die Welt den Atem an, ehe sich die beiden Supermächte doch noch einigten. Die Kuba-Krise vom Oktober 1962 und der drohende Atomkrieg waren gleichzeitig Höhe- und Wendepunkt des Kalten Krieges. Beide Seiten begriffen, dass eine Fortsetzung der bisherigen »Politik der Stärke« mit ihren gewaltigen Rüstungsprogrammen in die atomare Katastrophe führen konnte.
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