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Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Titel: Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Schmidt
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unter anderem sämtliche Religionen gemeint sind; sowie Alles, was sonst noch am Unendlichkeitsfimmel laboriert).
    Aber ich bezweifle, daß im hier abzuhandelnden Fall diese Sorte Nicht=ganz=Irrtum gemeint ist – man scheint vielmehr wissen zu wollen, was mich eventuell daran verhindern könnte, die CDU=Fürsten ›blinde Führer von Blinden‹ zu nennen. Sei's drum : ich betrete auch diese (ziemlich plumpe) Falle, die Hände auf dem Rücken und mich aufmerksam umschauend; denn mich interessieren ›Fallen‹, und ich habe mich schon erfolgreich in mehreren befunden, mußte ich doch zum Beispiel 6 Jahre Soldat und Kriegsgefangener sein.
    Da macht es mir wenig aus, Dinge zu äußern, wie etwa, daß mir die Betulichkeit all dieser EWG'en einzig darauf hinauszulaufen scheint, möglichst einen leidlich konkurrenzfähigen Weltstaat zu gründen, in dem 90 % der Bevölkerung Katholiken wären. Aber ich bin mir der Unfruchtbarkeit solcher Bemerkung völlig bewußt. Denn ich wiege mich mit nichten mehr, wie zwischen 1945 und 50 – eine Zeit, die mich an die schönste, ›freieste‹ meines Lebens, nämlich die Jahre der Weimarer Republik, niewiederkehrenden Angedenkens, erinnert – in der Illusion, daß es in Deutschland noch einmal gelingen könne, ein annähernd ähnliches Vierteljahrhundert herzustellen. Ich bilde mir nicht mehr ein, stellvertretend für eine auch nur einigermaßen ansehnliche Minderheit von 5 % zu sprechen : meine Zeitgenossen haben mir seitdem, nicht nur durch demonstrative Nicht= Teilnahme an meinen eigenen Arbeiten, sondern vor allem durch ihre ›Stimmabgaben‹ dargetan – und sie wußten es Alle, daß sie damit Dinge wie ›Adenauer‹ und ›Wiederaufrüstung‹ wählten – daß sie meine diesbezüglichen Ansichten nicht nur nicht teilen; sondern mehr noch : sie überhaupt nicht einmal hören wollen. Und ich bin nun immerhin auch schon fast Fünfzig; ich habe keine Zeit mehr, Geduld mit Ochsen zu haben, die sich selbst den Fleischer zum König wählen. Daß ich, leider, ein zu guter Demokrat bin, um nicht höflich zurückzutreten, wenn ich ›DIE MEHRHEIT‹ gegen mich sehe, ist eine Schwäche, ich weiß es wohl – zurückzuführen eben auf die o. a. ›Zwanziger Jahre‹ – aber ich brauche mich ihrer immerhin nicht zu schämen, wie ? (Was unsere Attilalariche ja überhaupt nicht kennen.)
    Und da sehe ich mich also heute, in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, um mich um – ich, ein fleißiger Übersetzer und immerhin =auch Schriftsteller; Einer von Denen, die ihre ›Aufgabe‹ (in Anführungsstrichen) darin erblicken, die Welt nach Kräften präzise abzubilden – ich, 20 Kilometer entfernt von der ›Zonengrenze‹, sehe mich ergo um; und was erblicke ich, als Deutscher, hinsichtlich dieser schon=zweiten, niedrigeren Staffel der ›Wahrheit‹ ?
    Im Westen einen Staat christlich=bornierter notstandsgesetz=süchtiger 40=Stunden= Wöchner : Arbeiten will Keiner, Fernsehen Jeder. Unterminiert von ehemaligen, immer noch hoch überzeugten Nazis; (und ich bin mir nicht recht sicher, ob man sich ihrer nicht gar gern ›bedient‹). Im Osten ein Siebenmonatskind von ›Arbeiterstaat‹, aus Mangel an Kohle und Eisen und Kunst dahinvegetierend. Schwer beim Rüsten sind Beide. (Und Kanzler Ganzgott und Sänger Halbgott gibt's auf beiden Seiten.) Da ist die Lage für Uns=Schriftsteller einfach so : Wir müssen uns, im reinlichsten Interesse unserer Arbeit, dort aufhalten, wo uns die geringste Zahl von Denk= und Schreib=Hemmungen droht.
    Und da bekenne ich es denn ganz offen : wenn ich mich einst früher oder später (und ich fürchte immer, es werde ›früher‹ sein) vor die Wahl gestellt sehen werde, zwischen einer dann vollausgebildeten braun und schwarzen Diktatur (Generäle plus Katholiken) und einer ›roten‹ – , – tcha, dann werde ich, gemäß meinem Prinzip der geringeren Denkhemmung‹, vermutlich den Osten wählen. Nicht jauchzend, wohlgemerkt, sonst wär' ich ja längst ›drüben‹; vielmehr wird es eine grausliche Wahl werden zwischen 2 ›größeren Übeln‹ – : aber im Trans=Albingistan werden mir die Kinder auf der Straße hoffentlich nur ein dümmerliches ›Formalist‹ hinterherrufen; während bei uns noch zusätzlich religiöser und nationaler Fanatismus über mich herfallen dürfte. (Noch ist es nicht ganz so weit: aber wir spurten ja mit 100 Millionen Beinchen darauf zu !)
    Wo ist bloß der Staat, der sein Grundgesetz mit dem all=herrlichen Satz begönne :

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