Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation
DIE WELT IST GROSS GENUG , DASS WIR ALLE DARIN UNRECHT HABEN KÖNNEN ! ‹?
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Aber das wären schließlich auch noch Fragen, denen sich jeder geistig Arbeitende – in gewissem Grade sogar jeder Mensch, der nicht ganz auf Meinungsfreiheit, Vernunft und noch ein paar ähnliche Kleinigkeiten verzichten mag – gegenüber sieht; enge ich also das – nu ja'chen, disons le mot – ›Problem‹ um einen Grad weiter ein, auf den Schriftsteller; (und ab hier beginn' ich Fachmann zu werden; hiervon versteh' ich was).
Da sind denn die Schwierigkeiten, mit denen unser Beruf unnötig reichlich umstellt ist, schon rein äußerlich von der Art, daß eine robuste Gesundheit dazu gehört, sie alle zu überleben; denn ›gefordert‹ wird ein wahrhaft guter Schriftsteller nicht, von Niemanden, nirgends und nie.
›Bei Uns‹ ist es genau so, wie in der DDR : beiderseits ›regiert‹ die welt=anschaulichste Empfindlichkeit! Ist man bei uns gottvergiftet und prüde; so drüben prüde und barbarisch=einfältig – wenn ich mir die Urteile des DDR=Lexikons oder der Sowjetenzyklopädie über Männer wie Joyce oder Freud angucke, sträubt sich mir das bißchen Grau= Haar : ›Der Arbeiter‹ ist doch genau so wenig das Maß der Literatur, wie ›Der Geistliche Herr‹ ! (Und Beiden wäre zu bedeuten, daß es ihnen zunächst 'mal ganz gleichgültig zu sein hat, und gar nicht ›Das Entscheidende‹ ist, ob ein Schriftsteller KARL MARX besingt oder die JUNGFRAU MARIA – mit welchem Diktum ich es wieder einmal mit sämtlichen Parteien verdorben haben dürfte : au fein ! Ein Ausruf bei dem es sich weder um ›Schnodderigkeit‹ noch um Epatierungssucht handelt; sondern eine Variante des GOETHE 'schen ›Ein Kerl, den alle Menschen hassen : Der muß was sein !‹.) Und die Folgen der geschilderten ›Einstellung‹ der Regierungen sind denn eben auch mit Händen zu greifen : in der Sowjetunion stellt sich ein Ministerpräsident hin, und verfügt, daß der Schriftsteller keine Literaturpreise vom Ausland annehmen dürfe – wozu der Kerl (der Ministerpräsident) nicht das geringste Recht hat; es sei denn, er zahlte dem meist=Armen sofort dieselbe Summe auf den Tisch des Fachwerkhäuschens. Während sich bei Uns ein Außenminister hinstellt, und dekretiert, daß Bert Brecht gar kein ernstzunehmender Dichter sei - wovon der Betreffende (der Außenminister) den Teufel etwas verstand, was ja auch gar nicht seines Amtes war, und nur seine Urteilsunfähigkeit auf diesem Gebiet überflüssig dargetan hat. Oder wenn ich mir ›rechts‹ das Schriftstellerlexikon des Verlags Herder (ich besitze es übrigens nicht) und ›links‹ das des Volksverlags Weimar (ich besitze es) hinlege - ja, ich schwanke noch heut, wem hier die Palme der Vernageltheit gebührte; denn ich meine immer : wenn ich mich über Literatur informieren möchte, dann will ich doch weder Kirchengeschichte lesen, noch die des Klassenkampfes.
Nun hat zwar neulich ein logisch besonders begabter Journalist öffentlich bewiesen: wenn die Herren Schriftsteller es sich herausnähmen, über Regierung und Politik in der bekannten unverfrorenen Weise herzuziehen; dann wäre die Regierung=ihrerseits doch wohl auch befugt, über die Schriftsteller abzuurteilen : G LEICHBERECHTIGUNG , eh ?! der Betreffende (und ich weiß den Namen tatsächlich nicht mehr, sonst würd' ich ihn schon hersetzen) hat, unter anderem, 2 Kleinigkeiten übersehen; nämlich
a) daß die Aktion jedes Einzelnen, ob in Ost oder West, MUT erfordert: eine Demokratie ohne Widerspruchskünstler ist keine,
b) daß das ›Urteilen‹ von Regierungen, gleichviel welcher Farbe, insofern die weitesttragenden Folgen für Schriftsteller hat: als Jene Preise, Stipendien, Unterstützungen, Fördererprämien verteilen; kurzum ›Fonds‹ zur Verfügung haben, die ihnen mühelos ermöglichen, die ihnen hörige, schreibende Mittelmäßigkeit zu finanzieren; während die wahrhaft guten Autoren sich zuschanden arbeiten müssen, (und überdem noch nach Kräften verhindert werden : sei es, daß man sie durch Prozeßandrohungen einzuschüchtern versucht; oder die ›unangenehmen‹ Zeitschriftchen, an denen sie Mitarbeiter sind, abwürgt oder aufkauft : dafür ist Geld da – wenn auch nicht ganz so viel, wie für alte Panzer und neue Bischofsstühle. Oder Fernsehmasten.)
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Was nun zwanglos überleitet, zu meinen persönlichen, ganz=speziellen Schwierigkeiten. – Eine davon heißt eben, so schockierend es kunstsinnigen Langohren auch
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