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Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Titel: Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Schmidt
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entdecken meinen; lieber einmal zu oft und lieber einmal zu laut, als einmal zu wenig !
    Leichter wäre es freilich – sicherer, bequemer, einträglicher; Literaturpreise stehen zur Verfügung, Stipendien, auch Orden – nach der alten Maxime zu handeln: »Friß Deine Knackwurst, Sklav', und halt Dein Maul !«; oder, vornehmer formuliert, die »Wirren des Alltags sich selbst zu überlassen« (das heißt: den Politikern), und für die eigene Person den nächsten Fußpfad in Richtung Arkadien einzuschlagen. Wenn nicht gar – es ist ja gleichfalls gedruckt und bewiesen – das noch bessere Teil zu erwählen ›Es soll der Sänger mit dem König gehen‹: da klingt freilich das Geld noch munterer im Kasten !
    Man verstehe mich recht: es sei ferne von mir, die Regierungssprecher unter den Schriftstellern in Bausch und Bogen charakterlich oder künstlerisch diffamieren zu wollen; es mag in Politik wie in Religion meinethalben so sein, daß es von Natur Königstreue gibt – aber ebenso gibt es auch gebürtige Schreckensmänner.
    Und man vergesse vor allem doch nie dies eine : Regierungen, Kirchen, Militär, durchweg bestehend aus ›hochgebildeten‹ maul-fertigen Leuten, können für sich allein, ohne schriftstellerische Hilfe, reden – und tun es ja auch wahrlich ausreichend; vom Handeln noch ganz zu schweigen. Das arme, gefolterte, sprachlos preisgegebene Volk aber, bedarf nicht minder einer dröhnenden Zunge ! Bedarf des vereidigten Dolmetschers für seine Schreie, sein Stöhnen, sein düstres Gemurmel in den Kolonnen der politischen Häftlinge‹ und ›Umsiedler‹; ›Verbotene Parteien‹ müssen sich, zumindest mit Worten, ebenso wehren können, wie das herumkommandierte arme Luder von Rekruten im ›bunten Ehrenkleid‹ : Wenn zungenflinke Priester mit bauchrednerischer Fertigkeit Waffen segnen – dann müssen wir gleichermaßen fließend zu fluchen verstehen : ça ira !
    [1957]

DER DANK DES VATERLANDES
    1.) »Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, dass ich die deutsche Nation wegen ihrer überschwenglichen Dummheit verachte, und mich schäme, ihr anzugehören.« (Schopenhauer).
    2.) »Einige haben beliebt, mich vorzugsweise als deutschen Künstler hinzustellen : ich protestiere feierlichst gegen diese Lüge ! Den Deutschen bleibt das Verdienst, mich zeitlebens angefeindet, und immer schlecht bezahlt zu haben.«
    (Feuerbach).

    Bundestagsbeschluß vom 10. Dezember: »Nachdem sich in Deutschland in neuerer Zeit eine literarische Schule gebildet hat, deren Bemühungen unverhohlen dahin gehen, in belletristischen, für alle Klassen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden sozialen Verhältnisse herabzuwürdigen, und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören: so hat der deutsche Bundestag
    – in Erwägung, daß es dringend notwendig sei, diesen verderblichen, die Grundpfeiler aller gesetzlichen Ordnung untergrabenden Bestrebungen sofort Einhalt zu tun, und unbeschadet weiterer, vom Bunde oder den einzelnen Regierungen zur Erreichung des Zwecks nach Umständen zu ergreifenden Maaßregeln – sich zu nachstehenden Bestimmungen vereinigt: sämtliche deutsche Regierungen übernehmen die Verpflichtung, gegen die Verfasser, Verleger, Drucker oder Verbreiter der Schriften jener bekannten literarischen Schule, die Straf= und Polizeigesetze ihres Landes, sowie die gegen den Mißbrauch der Presse bestehenden Vorschriften nach ihrer vollen Strenge in Anwendung zu bringen.«
    Leider muß ich jetzt aber mit rauher Hand die freudige Überraschung der Soldaten und Kolpinge im Volk wieder zerstören – dabei klingt es doch so lieb vertraut: Bundestag, Pressegesetz, ei Zucht & Sittlichkeit – indem ich das obige Datum noch durch seine Jahreszahl ergänze : 1835.
    In dieser denkwürdigen Sitzung nämlich faßte schon einmal ein Gremium mit dem ominösen Namen »Bundestag« jenen ungeheuerlichen Beschluß, der von Staatswegen eine ganze literarische Strömung zum Stillstand bringen, das Kontinuum der Dichtung einfach abreißen, sollte. Und um bei späteren Geschlechtern ja keinerlei Zweifel über ihre erprobte Urteilsfähigkeit (und also Zuständigkeit auch in solchen Dingen) aufkommen zu lassen, führten die damaligen Gesetzmacher die Avantgarde des »jungen Deutschland« auch namentlich an : Heinrich Laube; Karl Gutzkow : Heinrich Heine.
    Heinrich Heine : das muß man sich einmal vorstellen ! Heute ist er einer »unserer« großen

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