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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Sarrazin
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verlagert, und sogar mittelständische Unternehmerfamilien verließen in immer größerer Zahl das Land. Teilweise waren dafür steuerliche Gründe maßgebend. Das Bruttosozialprodukt hatte nämlich um das Jahr 2020 sein Wachstum eingestellt, das Produktivitätswachstum pro Arbeitsstunde war unter ein Prozent pro Jahr gesunken. Auf der anderen Seite wuchsen die Rentenausgaben und die Kosten für die Sozialtransfers weiter, weil die Zahl der Empfänger unaufhörlich stieg. Da die Mehrwertsteuer bereits bei 25 Prozent lag, blieb nur die Erhöhung der Einkommenssteuer als Finanzierungsinstrument.
Von 2040 an orientierte sich auch ein stetig wachsender Teil der wohlhabenden Privatleute ins Ausland und wechselte den Wohnsitz unter Mitnahme des Privatvermögens. Englische und amerikanische Privatschulen für den Nachwuchs waren sowieso groß in Mode gekommen, und Ingenieurwissenschaften studierte der Nachwuchs auch besser im Ausland, wenn er auf der Höhe der Zeit bleiben wollte.
    Unbemerkt hatte sich währenddessen ein Wandel in der Wählerschaft vollzogen. Wie Allensbach anlässlich der Bundestagswahl 2045 ermittelte, hatten bereits 30 Prozent der Erstwähler einen muslimischen Hintergrund. 20 Jahre später wurde die 50-Prozent-Marke überschritten. Aber bereits seit 2030 hatte es in einer wachsenden Zahl von Großstädten muslimische Bevölkerungsmehrheiten gegeben, und 2050 hatte mehr als die Hälfte der Oberbürgermeister einen türkischen, arabischen oder afrikanischen Migrationshintergrund. Das prägte die Kommunalpolitik.
    Im Jahre 2045 hatte es erneut einen Brand in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar gegeben. Der unter der Last der Sozialausgaben ächzende Bund zeigte sich zur Hilfe außerstande, das Land Thüringen erklärte, es sei nicht zuständig. Der Oberbürgermeister von Weimar, ein nachdenklicher, tiefreligiöser Mann mit arabischem Migrationshintergrund, machte sich die Sache nicht leicht. Am Ende aber trat er vor die Presse und verkündete, das Vorrecht auf dieser Welt gebühre den Lebenden und nicht den Toten. Die knappen Städtebauförderungsmittel, die der Stadt Weimar zuflössen, seien daher in der Gestaltung des Vorplatzes für die neue Moschee und in der Sanierung der städtischen Koranschule besser angelegt. So geschah es. Immerhin gelang es nach heftiger Diskussion im Stadtrat, die Brandstätte mit einem Notdach zu sichern.
    In den folgenden Jahrzehnten setzte überall im Land der Verfall von Kirchen, Schlössern und Museen ein. Die Deutschen, die sie hätten besuchen können, wurden immer älter, und es waren auch immer weniger. Die wachsende Zahl der muslimischen Mitbürger interessierte sich nicht für diese kulturellen Stätten. Die Finanznot von Kirchen, Kommunen und anderen Trägern wuchs.

    Gegen große Widerstände legte die Bundesregierung 2080 ein Sonderprogramm zur Rettung des deutschen Kulturerbes auf. Die Mehrheit dafür war knapp, denn dafür musste eine Rentenerhöhung aufgeschoben werden. Mit bebender Stimme rief eine Vertreterin der Grauen Panther in den Plenarsaal: »Was hat der deutsche Rentner im Rollstuhl davon, wenn der Bamberger und Kölner Dom saniert werden, er aber seine Pflegestufe nicht bezahlen kann? Die Kirchen braucht doch keiner mehr!«
    Den rettenden Einfall hatte der Kulturstaatsminister bei einem Besuch in Istanbul zu Ostern 2095. In der wunderbar restaurierten Hagia Sophia kam ihm die Erleuchtung: Seit über 600 Jahren haben die Türken diese ehemals christliche Kirche genutzt und instand gehalten. Das wäre doch das Modell für die großen deutschen Dome, die die Finanzkraft der sterbenden Kirchen schon lang überforderten. So gingen als erstes »Versuchspaket« in Form einer »Dauerleihgabe« der Kaiserdom zu Speyer, das Ulmer Münster, die Münchner Frauenkirche, der Bamberger Dom und der Kölner Dom an die islamische Glaubensgemeinschaft zur künftigen Nutzung als Moscheen. Im Gegenzug sicherte diese die denkmalschutzgerechte Erhaltung der Bauwerke zu. Nur die Kreuze durften demontiert beziehungsweise übertüncht werden, sofern sie die religiösen Gefühle der Gläubigen verletzten. Das Modell hatte Erfolg, und so gingen in den folgenden Jahren auch die Dome zu Mainz und Worms, der Naumburger Dom, die Marienkirche in Lübeck und viele andere Kirchen in die Obhut der islamischen Glaubensgemeinschaft über.
    Ein leidiges Problem war immer wieder die Sprache gewesen. In einem wegweisenden Grundsatzurteil hatte das Bundesverfassungsgericht 2030

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