Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
entschieden, es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, einen Bewerber mit Migrationshintergrund nicht zu berücksichtigen, weil seine Bewerbung sprachliche Mängel aufweise. Das nahm sehr viel Anspannung aus der Integrationsdebatte.
Noch viel wichtiger aber war das Urteil zum Verfassungsrang der Muttersprache aus dem Jahre 2037. Zum Glück war es bei der vorangegangenen Richterwahl erstmals gelungen, je einen Kandidaten
mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund durchzubringen. Die Mehrheit im zuständigen Ersten Senat war nämlich denkbar knapp gewesen. In den Leitsätzen zum Urteil legte die Senatsmehrheit fest, dass sich das Recht auf Schulunterricht in der Muttersprache aus dem absolut wirkenden Anspruch auf Achtung der Würde jedes Einzelnen aus Art. I Abs. I GG herleite. Dieses Recht sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse eingelöst werden. Ausnahmen seien allenfalls zulässig, wenn es sich bei den Kindern mit fremder Muttersprache um eine verschwindend kleine Minderheit handle, so dass der fiskalische Aufwand unvertretbar hoch sei. In den meisten Städten könne davon aber gar keine Rede sein. Gerade im Kern der Ballungsgebiete überwiege die Zahl der Kinder mit türkischer und arabischer Muttersprache. Deren Menschenwürde werde ohne zwingenden Sachgrund beeinträchtigt, wenn sie auf Deutsch radebrechen müssten, anstatt sich frei in der eigenen Muttersprache auszudrücken.
Den Einwand der beklagten Landesregierung, Deutsch stelle das unerlässliche gemeinsame Kommunikationsmittel dar, ließ das Gericht nicht gelten. Das gemeinsame Kommunikationsmittel in der modernen Welt sei das Englische. Darauf habe der damalige badenwürttembergische Ministerpräsident Oettinger bereits 2006 zutreffend hingewiesen. In 80 Prozent der Dax-Konzerne sei Englisch schon seit Jahrzehnten offizielle Verkehrssprache. Es würde den Kindern mit türkischer und arabischer Muttersprache gar nichts nützen, sondern sei eine unnötige zusätzliche Diskriminierung, wenn sie nun neben ihrer Muttersprache und Englisch unbedingt auch noch Deutsch lernen müssten.
Dieses Urteil leitete die größte Bildungsreform seit Abschaffung des Gymnasiums in die Wege: An die Stelle des verpflichtenden Deutschunterrichts trat der verpflichtende muttersprachliche Unterricht. Englisch blieb erste Fremdsprache. Soweit Schüler eine zweite Fremdsprache wählten - das kam immer seltener vor -, standen Deutsch, Französisch, Türkisch und Arabisch gleichberechtigt zur Auswahl.
Das Urteil führte schnell zu getrennten Schulen für Türken,
Araber und Deutsche und beschleunigte die schon seit Jahrzehnten zu beobachtende Entmischung der Wohngebiete. Die Auswertung der Einschulungsstatistik ergab, dass 2045 noch 48 Prozent, 2075 lediglich 30 Prozent und 2105 gar nur noch 20 Prozent der Einschüler für den muttersprachlichen Unterricht das Fach Deutsch wählten. Im Bayerischen Wald und in der Uckermark lag der Anteile 2105 zwar immer noch bei 50 Prozent, in Hamburg, Frankfurt und Berlin aber nur bei rund zehn Prozent.
Es versteht sich, dass in den jeweiligen Wohngebieten auch Polizei, Gerichte und alle Ämter vorwiegend muttersprachliches Personal einsetzten. Schließlich war es einem autochthonen Uckermärker genauso wenig zuzumuten, seine Belange bei der Polizei auf türkisch vorzubringen, wie es für einen autochthonen Kreuzberger Türken zumutbar war, auf dem Einwohnermeldeamt deutsch zu sprechen.
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