DGB 04 - Kreuzer Eisenstein
das ihm bereits aufgebürdet worden war.
Dieser Weg kannte kein Ende,
kein Vergessen, nur eine endlose Schleife, ein Möbiusband direkt aus der Hölle.
Solum Decius war ein Astartes,
und gegen die nach Milliarden zählenden Menschen des Imperiums waren die Männer
seiner Art, die Söhne von Kriegsgöttern. Doch selbst die Fähigkeiten eines
solchen Wesens hatten ihre Grenzen.
Die Wunde hatte sich zu einem
Maul mit Reißzähnen entwickelt, das auf ihm herumkaute, ihm seine Essenz entzog.
Dort, wo sich Grulgors verseuchte Klinge durch die Rüstung gefressen und in
sein Fleisch gebohrt hatte, war Decius von einem Virus befallen worden, das
alle Viren in sich trug und eine Krankheit verursachte, die alle bekannten und
auch noch einige bislang unbekannte Krankheiten in sich vereinte. Es gab kein
Heilmittel dagegen — wie hätte das auch möglich sein sollen? Die Keime wurden
aus dem lebenden Destillat aus Verderbnis in ihrer ursprünglichsten Form
gewonnen, einem sich windenden Muster aus dreifältigen und achtzackigen
Mikroben, die alles auflösten, womit sie in Berührung kamen. Diese unsichtbaren
Waffen waren das Fußvolk des Großen Zerstörers, jede versehen mit dem
unauslöschlichen Zeichen des Herrn des Zerfalls.
»Hilfe!« Er hätte es geschrien,
wenn es ihm nur gelungen wäre, den Kiefer zu bewegen, wenn er diesen trockenen,
verklebten Mund hätte öffnen können, wenn sich in seiner Kehle nicht dieser
blutige Schleim befunden hätte. Decius wand sich auf dem Krankenbett. Bläuliche
Flecken bildeten sich dort, wo das Fleisch durch Infektionen dunkel und matt
wurde. Er versuchte nach den Glaswänden ringsum zu greifen, aber seine Arme
waren wie spröde Zweige, umhüllt von sehnigen Muskeln und fahlem Fleisch.
Etwas, das nach Maden mit drei
schwarzen Augen aussah, fraß sich durch seinen Rumpf und berührte ihn mit
giftigen Flimmerhärchen. Da war so viel Schmerz, und immer, wenn Decius
glaubte, er müsse den Gipfel der Qual erreicht haben, kam ein neuer, noch schlimmerer
Schmerz.
Er sehnte sich so sehr nach dem
Tod, das war das Einzige, was noch zählte. Decius wollte so unbedingt sterben,
dass er sogar dafür betete. Zum Teufel mit der Imperialen Wahrheit! Es gab
keinen anderen Weg mehr. Wenn niemand sonst auf der Welt ihm seinen Frieden
geben wollte, was blieb ihm dann anderes übrig, als die Reiche jenseits der
Realität um Hilfe zu bitten?
Aus der Qual kam ein Lachen zum
Vorschein, erst spöttisch, dann allmählich sanfter. Eine Intelligenz nahm Maß,
überlegte und entdeckte in dem jungen Mann schließlich die Chance, eine Kunst
zu verfeinern, auf die sie erst vor kurzem gestoßen war: die Kunst, Menschen neu
zu erschaffen.
Traurigkeit überkam ihn. Wie
schrecklich traurig, dass die Männer, die Decius als Brüder und als Lord
bezeichnet hatten, seinen Schmerz ignorierten. Wie grausam von ihnen, ihn
leiden zu lassen, während sich die Krankheit immer tiefer in sein Herz
hineinfraß. Er hatte ihnen so viel gegeben, oder etwa nicht? Er hatte an ihrer
Seite gekämpft.
Er hatte sie ohne Rücksicht auf
sein eigenes Leben vor dem Tod gerettet. Er war der beste Death Guard geworden,
der er sein konnte ... und wofür das alles? Damit sie ihn in einem Glasbehälter
einschlossen und zusahen, wie er langsam an den Gasen seines eigenen Zerfalls
erstickte? Hatte er das verdient? Wem hatte er etwas getan, um so behandelt zu
werden? Nichts! Nichts! Sie hatten ihn im Stich gelassen! Dafür hasste er sie! Ja,
er hasste sie!
Sie alle hatten ihn schwach
werden lassen. Genau, das war die Antwort. In all dem Hin und Her um Horus und seine
Taten hatte Decius zugelassen, dass er schwach und unentschlossen wurde!
Grulgor hätte ihn niemals verletzen können, wenn sein Verstand hellwach und
aufmerksam gewesen wäre.
Ja, durch den brennenden Schmerz
hindurch wurde alles deutlich.
Er konnte seinen Fehler
zurückverfolgen zu einem Punkt, zu einem einzelnen Moment. Er hatte sich Garros
Befehlen gebeugt. So sehr es ihm zuwider gewesen war, hatte er sich selbst
eingeredet, dass er noch roh und ungeschliffen und dass Garros Weg der richtige
war. Aber in Wahrheit verhielt es sich ganz anders. Garro war unentschlossen.
Sein Mentor hatte seinen Killerinstinkt verloren. Horus … Horus! Das war ein
Krieger, der wusste, was Kraft und Stärke bedeuteten. Er war mächtig, er hatte
Primarchen zu seinem Banner überlaufen lassen, auch Mortarion! Und Decius hatte
geglaubt, dem könne er sich widersetzen? Welcher Wahnsinn musste da von
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