DGB 11 - Blut Der Abtrünnigen
Hinterkopf sehen konnte. »Ein Knochensplitter hatte
sich in meinen Schädel gebohrt, gerade mal einen Zentimeter weiter, und meine
Wirbelsäule wäre durchtrennt worden. Ich war allein auf dem Schlachtfeld, und ich
beschloss, in meine Heimat zurückzukehren. Doch als ich dort ankam, fand ich
mein Elternhaus als Ruine vor. Von den Leuten aus der Stadt erfuhr ich, dass
scandianische Plünderer aus dem Norden vom Reichtum meiner Eltern gehört hatten
und in den Süden gekommen waren. Sie töteten meinen Bruder, dann vergewaltigten
sie meine Mutter und meine Schwester vor den Augen meines Vaters, damit er
ihnen verriet, wo er seine Schätze aufbewahrte. Sie wussten nicht, dass er ein
schwaches Herz hatte, und so starb er vor Aufregung, noch bevor sie ihm sein
Geheimnis entlocken konnten. Mein Zuhause Urar ein einziges Trümmerfeld, und
von meiner Familie fand ich nur noch die ausgebleichten Knochen.«
»Es tut mir leid, dass Sie
einen solchen Verlust erlitten haben«, sagte Offenbarung. »Ich weiß nicht, ob
es für Sie ein Trost ist, aber die Scandianer wollten die Einigung nicht
akzeptieren und wurden vor drei Jahrzehnten ausgelöscht.«
»Ich weiß, aber ich kann mich
nicht mehr am Tod erfreuen«, erwiderte Uriah. »Die Männer, die meine Familie ermordet
haben, mussten sich dafür vor Gott verantworten, und das ist für mich
Gerechtigkeit genug.«
»Das ist eine sehr noble
Einstellung«, fand Offenbarung im Tonfall echter Bewunderung.
»Ich nahm ein paar Andenken aus
den Ruinen mit und machte mich auf den Weg zur nächsten Siedlung. Ich hatte vor,
mich erst einmal sinnlos zu betrinken, danach würde ich mir dann überlegen, was
ich mit meinem Leben anfangen sollte. Aber auf halber Strecke kam ich an der
Kirche des Gewittersteins vorbei, und plötzlich wusste ich, dass ich meine
Lebensaufgabe gefunden hatte. Bis dahin hatte sich in meinem Leben alles nur um
mich gedreht, aber als ich den Kirchturm sah, da wusste ich, Gott hat eine
Aufgabe für mich. Ich hätte bei Gaduaré sterben sollen, aber ich war aus einem
bestimmten Grund gerettet worden.«
»Und was für ein Grund war
das?«
»Gott zu dienen«, antwortete
er.
»Sein Wort zu den Menschen zu
bringen.«
»Und das machen Sie hier?«
Uriah nickte. »Es ist das, was
ich versuche, aber die Verkünder des Imperators reisen rund um den Globus und verbreiten
seine Botschaft, die Vernunft zu akzeptieren und allen Göttern und allem
Übernatürlichem den Rücken zu kehren. Ich nehme an, Sie sind deswegen
hergekommen. Und deshalb ist heute Nacht auch niemand aus meiner Gemeinde zur
Messe erschienen.«
»Ihre Annahme ist richtig«,
sagte Offenbarung. »In gewisser Weise bin ich tatsächlich hergekommen, um Sie davon
zu überzeugen, dass Sie sich auf einem Irrweg befinden, und um Ihnen zu zeigen,
dass keine göttlichen Mächte notwendig sind, um die Menschheit zu führen. Dies
hier ist die letzte Kirche auf Terra, und mir fällt es zu, Ihnen Gelegenheit zu
bieten, sich freiwillig für den neuen Weg zu öffnen.«
»Sonst?«
Offenbarung schüttelte den
Kopf.
»Ein >Sonst< gibt es nicht,
Uriah. Kommen Sie, lassen Sie uns zurück in die Kirche gehen und dort weiterreden.
Ich möchte Ihnen zeigen, was der Glaube an Götter der Menschheit eingebracht hat.
Das Blutvergießen, der Schrecken, die Verfolgungen. Ich werde Ihnen davon
erzählen, und Sie werden sehen, welchen Schaden der Glaube anrichtet.«
»Und danach? Werden Sie sich
dann wieder auf den Weg machen?«
»Wir wissen doch beide, dass
das nicht passiere wird, nicht wahr?«
»Ja, richtig.« Uriah trank sein
Glas aus.
»Das wissen wir beide.«
»Ich möchte Ihnen eine
Geschichte erzählen, die sich vor vielen Tausend Jahren zugetragen hat«, begann
Offenbarung.
Sie schlenderten durch das
nördliche Querschiff der Kirche, der zu einer Wendeltreppe hinauf zu den oberen
Kreuzgängen führte.
Offenbarung folgte Uriah und
redete weiter, während sie Stufe um Stufe hinaufgingen.
»Es ist eine Geschichte von
einer genmanipulierten Rinderherde, die den Tod von über neunhundert Menschen
versuchte.«
»Wurden sie von der Herde
totgetrampelt?«
»Nein, es war nur eine Handvoll
halb verhungerter Kreaturen, die aus ihrer Koppel in der Nähe von Xozer entkamen,
einer einstmals großen Stadt in den Nordafrik Konklaven.«
Sie hatten den Kopf der Treppe
erreicht und gingen an den Kreuzgängen vorbei, deren Wände dunkel und kalt waren.
Auf dem Steinboden lagen eine dicke Staubschicht, in den Wandhaltern
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