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Dhampir

Dhampir

Titel: Dhampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Hendee
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Prolog
    Das Herz wurde Eillean schwer, als sie die Stadt Venjètz verließ und den nächtlichen Wald betrat. Sie trug Kniehose, Kapuzenmantel und Schal, alles dunkel, zwischen Nachtgrau und Waldgrü n – nur durch ihre Bewegungen hätte sie einem wachsamen Beobachter ihre Präsenz verraten.
    Sie war nicht sentimental, trotzdem senkte sich ein Schatten von Melancholie auf ihre Seele.
    Brot’ân’duivé ging still neben ihr.
    Für einen Elfen war er sehr groß, fast einen Kopf größer als sie, aber die Proportionen entsprachen denen eines Menschen. Beide Eigenschaften waren bei seinem Clan weitverbreitet. Das Haar unter der Kapuze hatte er hinten zusammengebunden, aber einige silberweiße Strähnen reichten über seine dunkle Stirn. Dünne Falten umgaben die großen bernsteinfarbenen Augen.
    Eillean hatte ihn nicht gebeten, sie bei dieser seltsamen Reise zu begleiten. Und doch schritt er neben ihr.
    Fast einen Mond waren sie von ihrem Heimatland aus, das die Menschen »Reich der Elfen« nannten, unterwegs gewesen. Sie hatten die Gebrochenen Berge sowie das westliche Vorgebirge überquert und schließlich den See hinter Lord Darmouths Festung erreicht. Und wofür? Um Léshil, einem Enkel, den sie nur aus der Ferne gesehen hatte, einen Majay-hì-Welpen zu bringen.
    Wie törich t – aber sie hatte sich dazu verpflichtet gefühlt.
    Inzwischen befand sich der Welpe sicher bei ihrer Tochter Cuirin’nên’a. Eillean dachte daran, als sie die Zweige einer Tanne beiseiteschob. Sie vermisste die grünen Wälder ihrer Heimat; es wurde Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    Brot’ân’duivé hatte die Kapuze tief in die Stirn gezogen, und sein Schal bedeckte die untere Gesichtshälfte, wie bei ihr. Er hätte es sich sparen können, denn auch er verbarg seine Gefühle hinter einer ausdruckslosen Maske. Vielleicht lag es an ihrem Alter und den Jahrzehnten innerhalb ihrer Kaste.
    Er war nicht viel jünger als Eillean, und sie wandelte seit mehr als einem Jahrhundert der Menschen auf dieser Welt. Nicht besonders alt für einen Elfen, wenn auch über die mittleren Jahre hinaus, aber schon greisenhaft für jemanden im Dienst der Kaste. Ein Leben unter den Anmaglâhk währte nur selten lang.
    »Warum hast du dies getan, wenn es dich so sehr beunruhigt?«, fragte Brot’ân’duivé schließlich. »Warum hast du Léshil den Welpen gebracht? Einen Majay-hì aus unserem Land zu bringe n … Es wird unser Volk nicht freuen.«
    Er war immer direk t – seine hinterhältigste Vorgehensweise. Ganz gleich, wie gut Eillean ihre Stimmung verbarg, er spürte sie meist. Es war einer der Gründe dafür, warum sie ihn kurz nach Lèshils Geburt ins Vertrauen gezogen hatte.
    »Ich habe in der Enklave meiner Geburt haltgemacht«, antwortete sie leise. »Dort gab es nur noch wenige Gesichter, an die ich mich erinnerte. Im Dorf hatte eine Majay-hì mehrere Junge geworfen, und dieser besondere Welpe spielte nicht mit den anderen. Ich nahm ihn un d … «
    »Hast du jetzt Bedenken?«
    »Léshil muss stark sei n … unbeeinflusst von Verbindungen, die über seine Ausbildung hinausgehen. Deshalb hat Cuirin’nên’a entschieden, einen Mischling zur Welt zu bringen, jemanden, der weder ganz zum einen noch zum anderen Volk gehört. Ich möchte ihn nicht schwächen.«
    »Ein Gefährte schwächt niemanden.«
    Eillean verzog andeutungsweise das Gesicht. »Du klingst wie seine Mutter. Ich fürchte, Cuirin’nên’a hat zu viel Liebe für den Jungen.«
    »Wie du für sie«, sagte Brot’ân’duivé.
    Eillean blieb stehen. »Hör auf damit.«
    Seine ruhigen Augen musterten sie über den Schal hinweg. »Manchmal kann ein Gefühl einem anderen entgegenwirken. Und du versuchst noch immer, dich vor deinen eigenen Empfindungen zu verbergen.«
    »Wir arbeiten aus den Schatten heraus«, erwiderte Eillean. »Cuirin’nên’a kann den Gefahren, denen sie allein gegenübersteht, nicht entkommen. Sie hat Léshil in ihrem eigenen Körper heranwachsen lassen, und jetzt bereitet sie ihn darauf vor, einen Feind zu töten, den wir noch nicht kennen. Wir haben nur die Sorgen des Ältesten Vaters und sein an Besessenheit grenzendes Bestreben, die Menschen zu lähmen. Ich habe es satt, auf etwas zu warten, das wir nicht vorhersagen können.«
    Eillean schnaubte kurz. »Deshalb habe ich meiner Tochter einen Majay-hì-Welpen für ihren Sohn gebrach t – frag mich nie wieder nach dem Grund! Vielleicht kann er dabei helfen, die Zukunft zu erkennen, die wir beide nicht sehen könne

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