0650 - Seelenfeuer
»Es gibt da etwas, das dich wahrscheinlich brennend interessieren wird«, sagte Robert Tendyke.
Auf dem Computer-Monitor vor Professor Zamorra zeichnete sich sein Gesicht ab, die Visofon-Verbindung zwischen Château Montagne in Frankreich und Tendyke's Home in Florida funktionierte einwandfrei.
Zamorra kippte die Lehne seines Schreibtischsessels etwas und lehnte sich ein wenig zurück.
»Mach es dir nicht zu gemütlich«, spöttelte Tendyke. »Es dürfte nämlich am einfachsten sein, wenn du zu uns 'rüberkommst. Wir machen uns einen gemütlichen Abend, und morgen jetten wir dann nach El Paso.«
»Was wollen wir da?« fragte Zamorra. »Gegen den gemütlichen Abend ist ja nichts einzuwenden, aber El Paso… das klingt so geschäftlich.«
»Der Eindruck täuscht«, schmunzelte der Abenteurer. Niemand sah ihm auf den ersten Blick an, daß er der Alleinbesitzer eines weltumspannenden Firmenimperiums war, das als Holding unter dem Namen Tendyke Industries firmierte. Um die Geschäfte kümmerte er sich selbst auch kaum. Dafür hatte er seinen Geschäftsführer Rhet Riker. Zwar war er mit dessen Methoden nicht immer einverstanden, aber Riker hielt die Firma zusammen und arbeitete mit bemerkenswertem Engagement daran, sie noch größer werden zu lassen. Fast so, als sei es seine Firma…
Robert Tendyke, vor über 500 Jahren als Sohn des einstigen Höllenfürsten Asmodis und einer Zigeunerin in tiefster Armut geboren, hatte dieses Firmenimperium in jahrhundertelanger Arbeit und von vielen Rückschlägen gezeichnet, aufgebaut, weil er »nie wieder arm sein« wollte, wie er es einst formulierte. Es war ihm wichtig, immer genau so viel Geld zur Verfügung zu haben, wie er gerade brauchte. Wie reich er inzwischen wirklich war, wußte er nicht einmal. Solche Kleinigkeiten überließ er der Buchhaltung der Tendyke Industries und den Steuerberatern. Allenfalls interessierte es ihn noch, wie vielen Menschen er mit seinen Firmen Arbeitsplätze schuf.
Über die Jahrhunderte hatte er in zahlreichen Identitäten daran gearbeitet, sich diese finanzielle Unabhängigkeit zu verschaffen, hatte unzählige Male wieder am Punkt Null anfangen müssen und konnte jetzt endlich sagen, daß er es geschafft hatte. Aber in all der langen Zeit hatte er nie seine zigeunerische Unrast verloren. Er war immer noch der Mann, der nach neuen Ufern suchte, der das Unbekannte zu erforschen versuchte, den es in die Wildnis zog… und wenn er an archäologischen Expeditionen teilnehmen konnte, war er völlig in seinem Element. Dann war er der rauhbeinige Abenteurer, von dem niemand vermutete, was hinter ihm stand…
»Es ist nichts Geschäftliches«, fuhr Tendyke fort. »Aber die Unterlagen befinden sich nun mal dort.«
»Worum geht es?« hakte Zamorra nach.
»Laß dich…«
»Nein!« unterbrach der Parapsychologe. »Ich lasse mich nicht überraschen. Nicht von dir, mein Freund. Ich will vorher wissen, worum es geht. Also bitte…«
»Um ein Computerspiel.«
»Vergiß es«, konterte Zamorra. »Mit Computerspielen habe ich nichts am Hut. Und… Moment mal.« Er erinnerte sich an jene höllischen Spiele, bei denen er und auch seine Gefährtin Nicole Duval in virtuelle Realitäten gezogen worden waren, die sich als tödliche Fallen entpuppten. [1]
»Calderone?« fragte er mißtrauisch. »Ist der schon wieder aus der Versenkung aufgetaucht?« Und wo Rico Calderone war, war auch Stygia nicht weit, die Fürstin der Finsternis.
Dieses diabolische Duo war damals für- die mörderischen virtuellen Realitäten verantwortlich gewesen.
Tendyke lachte leise.
»Ich kann dich beruhigen - es hat nichts mit Calderone oder Stygia zu tun«, erklärte er. »Es geht um eine ganz andere Sache. Hawk und Kreis sind dahintergekommen.«
»Kreis? Wer ist das?« fragte Zamorra.
Olaf Hawk kannte er. Ein geheimnisvoller Mann, der sich hin und wieder um Zamorras Computersystem kümmerte und es immer wieder auf den neuesten Stand brachte - die Kosten übernahm, erfreulich für Zamorra, in fast allen Fällen die Tendyke Industries. Für die war Hawk ebenfalls tätig - auf Honorarbasis.
Niemand konnte genau sagen, wer Hawk wirklich war und woher er kam; der Mann mit seinen profunden, überragenden Kenntnissen im Computerbereich war ein einziges großes Fragezeichen. Hin und wieder machte er vage Andeutungen, die darauf schließen ließen, daß er sehr detailliert über Zamorra und sein Umfeld informiert war - aber woher er seine Insider-Informationen bezog, blieb im
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