Diabolus
brütete über Computerausdrucken und deutete immer wieder auf das von einem Overhead-Projektor an die Wand geworfene Textgewirr:
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Irgendwann wurde Becker mitgeteilt, was er sich ohnehin schon längst gedacht hatte: Das Textgewirr war ein Code - ein verschlüsselter Text aus Zahlen und Buchstabengruppen, die für verschlüsselte Wörter standen. Die Kryptographen sollten den Code analysieren und die ursprüngliche Botschaft - den »Klartext« -wiederherstellen. Da man annahm, dass die ursprüngliche Botschaft in Mandarin-Chinesisch abgefasst war, hatte man Becker herbeigerufen, um die von den Kryptographen entzifferten Schriftzeichen ins Englische zu übertragen. Zwei Stunden lang übersetzte Becker eine endlose Reihe von Mandarin-Schriftzeichen, aber die Kryptographen schüttelten jedes Mal entmutigt den Kopf und konnten offenbar keinen Sinn erkennen. Um den Leuten zu helfen, erklärte Becker schließlich, dass alle ihm bisher vorgelegten Schriftzeichen eines gemeinsam hätten - sie würden auch in der japanischen Kanji-Schrift benutzt. Schlagartig wurde es still. Der Leiter der Gruppe, ein schlaksiger Kettenraucher namens Moranti, sah Becker konsterniert an.
»Sie meinen, diese Schriftzeichen können zweierlei bedeuten?« Becker nickte. Er erläuterte, Kanji sei ein japanisches Zeichensystem, das mit modifizierten chinesischen Schriftzeichen arbeite. Er habe allerdings auftragsgemäß bisher immer nur ins Mandarin-Chinesisch übersetzt.
»Ach du lieber Gott!«, schniefte Moranti.
»Dann wollen wir es doch mal mit Kanji versuchen.« Wie durch ein Wunder fiel auf einmal alles wie von selbst an seinen Platz. Die Kryptographen waren tief beeindruckt - was sie jedoch keineswegs dazu veranlasste, Becker die Schriftzeichen in der richtigen Reihenfolge vorzulegen.
»Zu Ihrer eigenen Sicherheit«, erläuterte Moranti.
»Auf diese Weise wissen Sie nicht, was Sie für uns übersetzen.« Becker lachte, aber außer ihm lachte keiner. Als der Code komplett entschlüsselt war, hatte Becker keine Ahnung, welche dunklen Geheimnisse er ans Tageslicht zu fördern geholfen hatte, aber eines war gewiss - die NSA betrieb das Dechiffrieren nicht zum Spaß. Der Scheck in seiner Tasche war jedenfalls mehr wert als das Monatsgehalt eines Universitätsprofessors. Auf dem Rückweg durch den Raster der Sicherheitskontrollen verstellte ihm im Hauptflur ein Wachmann, der soeben das Telefon aufgelegt hatte, den Weg.
»Mr Becker, bitte warten Sie hier einen Augenblick.«
»Gibt es ein Problem?« Becker hatte nicht damit gerechnet, dass der Auftrag so lange dauern würde. Für sein regelmäßiges Squash- Match am Samstagnachmittag war er schon ziemlich spät dran. Der Wachmann zuckte die Schultern.
»Die Abteilungsleiterin der Crypto möchte Sie sprechen. Sie geht gerade nach Hause und ist schon unterwegs.«
»Eine Frau?«, wunderte sich Becker und grinste. Bei der NSA war ihm bislang noch keine Frau begegnet.
»Haben Sie damit ein Problem?«, fragte eine weibliche Stimme hinter ihm. Becker drehte sich um. Er spürte das Blut jäh in seine Wangen schießen. Er starrte auf den an die Bluse der Frau gehefteten Hausausweis. Die Chefin der kryptographischen Abteilung war zweifellos eine Frau, und eine attraktive obendrein.
»Nein«, stammelte Becker, »ich habe nur. . .«
»Susan Fletcher«, stellte sich die Abteilungsleiterin lächelnd vor und streckte ihm eine schlanke Hand entgegen. Becker nahm sie in die seine.
»David Becker.«
»Meinen Glückwunsch, Mr Becker. Man hat mir von Ihrer beachtlichen Leistung berichtet. Ich würde mich mit Ihnen gern ein bisschen darüber unterhalten.« Becker zögerte.
»Um ehrlich zu sein, ich habe es im Moment leider etwas eilig.« Er hoffte, dass es keine allzu große Dummheit war, einer leitenden Mitarbeiterin der mächtigsten Geheimdienstbehörde der Welt einen Korb zu geben, aber sein Squash-Match sollte in einer Dreiviertelstunde losgehen, und er hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Zum Squash kam David Becker niemals zu spät - zur Vorlesung vielleicht, aber zum Squash? Niemals!
»Es wird nicht lange dauern«, sagte Susan Fletcher lächelnd.
»Wenn Sie mir bitte folgen
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