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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ihre Kabinen zurückgezogen, um die Kleidung zu wechseln, als sie sahen, was die Queen und ihr Prinzgemahl trugen. Die sensationelle Schlagzeile des Tages, welche bereits von teleskopschwingenden Modekolumnisten an Bord der
Æther
in die
Times
hochgeladen wurde, verkündete, daß man wieder Sonnenschirm trug.
    Gwendolyn Hackworth hatte keinen Sonnenschirm eingepackt, wovon sie sich freilich nicht bekümmern ließ; ihr war von jeher eine Art von natürlichem, unbewußtem modischen Chic zu eigen gewesen. Sie und John schlenderten auf die Insel hinab. Als sich Hackworths Augen dem Sonnenlicht angepaßt hatten, war er bereits in die Hocke gegangen und rieb ein wenig Krume zwischen den Fingerspitzen. Gwen überließ ihn seiner Obsession und gesellte sich zu einer Gruppe anderer Frauen, in der Mehrzahl Ingenieursgattinnen, aber sogar eine oder zwei Dividenden-Adlige im Range einer Baroneß.
    Hackworth fand einen verborgenen Pfad, der sich unter Bäumen einen Hügel hinauf zu einer kleinen Lichtung mit einem kühlen, klaren Süßwasserteich wand – er kostete, um ganz sicher zu sein. Dort blieb er eine Zeitlang stehen, ließ den Blick über die verzauberte Insel schweifen und fragte sich, was Fiona wohl gerade im Schilde führen mochte. Dies führte ihn zu einem Tagtraum: Vielleicht war sie, durch eine wundersame Schicksalsfügung, Prinzessin Charlotte begegnet, hatte sich mit ihr angefreundet und erforschte in ihrer Begleitung just in diesem Augenblick das eine oder andere Wunder. Was wiederum eine längere Phase der Besinnlichkeit zur Folge hatte, die erst unterbrochen wurde, als er feststellte, daß jemand ein Gedicht rezitierte.
     
    »Wo wären wir, geliebter Freund, wir zwei, Wenn – in dem Alter, als die freie Wahl Noch ganz gefahrenlos uns offenstand –, Wenn wir

anstatt durch Täler hinzuwandern, Die reich von heimischem Ertrage waren, Durch freies Feld der Phantasie, durch Glücksgelände, das nach eigner Lust wir wählten –, Wenn wir statt dessen stündlich überwacht, Verfolgt und eingepfercht erwachsen wären, getrennt in traurig-trübem Lebensgang, Wie eine Häuslerskuh, der man beim Grasen Die Vorderbeine fesselt und die so In armer Knechtschaft durch die Weiden hoppelt?«
     
    Hackworth wandte sich um und sah, daß ein älterer Mann mit ihm die Aussicht genoß. Der Mann, genetisch Asiate, mit einem etwas näselnden nordamerikanischen Akzent, schien mindestens siebzig zu sein. Seine durchscheinend blasse Haut spannte sich noch immer glatt über betonte Wangenknochen, doch Lider, Ohren und die Höhlungen der Wangen waren runzelig. Keine Haarsträhne lugte unter seinem Tropenhelm hervor; der Mann war völlig kahl. Hackworth nahm diese Einzelheiten langsam in sich auf, bis ihm schließlich bewußt wurde, wer vor ihm stand.
    »Klingt nach Wordsworth«, sagte Hackworth.
    Der Mann hatte den Blick über die tiefergelegene Wiese schweifen lassen. Er legte den Kopf schief und sah Hackworth zum erstenmal direkt an. »Das Gedicht?«
    »Dem Inhalt nach zu urteilen, tippe ich auf das
Präludium.«
    »Ausgezeichnet«, sagte der Mann.
    »John Percival Hackworth, zu Ihren Diensten.« Hackworth machte einen Schritt auf den anderen zu und reichte ihm seine Karte.
    »Meinerseits«, sagte der Mann. Er vergeudete keine Zeit damit, sich vorzustellen.
    Lord Alexander Chung-Sik Finkle-McGraw war einer von mehreren Dividenden-Lords im Rang eines Herzogs, der Apthorp entstammte. Apthorp war keine offizielle Organisation, die man im Telephonbuch nachschlagen konnte; in der Terminologie der Hochfinanz stand es für eine strategische Allianz mehrerer Großkonzerne, darunter Machine-Phase Systems GmbH und Imperial Tectonics GmbH. Wenn niemand Wichtiges zuhörte, sprachen die Angestellten stets von John Zaibatsu, so wie ihre Vorfahren eines früheren Jahrhunderts die East India Company als John Company bezeichnet hatten.
    MPS stellte Verbrauchsgüter her, IT machte in Immobilien, wo, wie zu allen Zeiten, das große Geld zu holen war. In Hektar gemessen, lief es auf nicht allzu viel hinaus –in Wirklichkeit nur ein paar strategisch gelegene Inseln, eher Countys als Kontinente –, aber es handelte sich um die teuersten Immobilien der Welt, abgesehen von einigen wenigen gesegneten Orten wie Tokio, San Francisco und Manhattan. Der Grund dafür war, daß Imperial Tectonics Geotekten beschäftigte, und Geotekten gewährleisteten, daß neues Land den Reiz von San Francisco besaß, die strategisch wichtige Lage von Manhattan,

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