Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Dinosaurier, und so weiter, aber die Zentauren und Faune wollten wir interaktiver haben, damit sie einen Anschein von Denkvermögen erwecken.«
    »Ja, gute Arbeit, gute Arbeit, Mr. Hackworth.«
    »Danke, Sir.«
    »Nun, ich weiß selbstverständlich, daß es nur die besten Ingenieure schaffen, sich für die Abteilung Sonderprojekte zu qualifizieren. Vielleicht könnten Sie mir erzählen, wie ein Liebhaber romantischer Dichtung es zu einer solchen Position bringen konnte.«
    Das brachte Hackworth aus der Fassung, und er versuchte, eine Antwort zu geben, die nicht den Eindruck von Affektiertheit erweckte. »Ein Mann in Ihrer Position sieht doch gewiß keinen Widerspruch –«
    »Aber ein Mann in meiner Position war nicht dafür verantwortlich, daß Sie zur Abteilung Sonderprojekte befördert wurden. Das war ein Mann in einer gänzlich anderen Position. Und ich hege die allergrößte Befürchtung, daß Männer in dieser Position durchaus einen Widerspruch sehen würden.«
    »Aha, ich verstehe. Nun, Sir, ich habe am College englische Literatur studiert.«
    »Ah! Demnach gehören Sie nicht zu denen, die dem schmalen und direkten Weg zu den Ingenieurswissenschaften gefolgt sind.«
    »Ich fürchte nein, Sir.«
    »Und Ihre Kollegen in der Abteilung Sonderprojekte?«
    »Nun, wenn ich Ihre Frage richtig verstehe, Sir, würde ich sagen, daß, verglichen mit anderen Abteilungen, eine vergleichsweise große Zahl von Mitarbeitern der Abteilung Sonderprojekte ein – nun, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks – interessantes Leben hinter sich haben.«
    »Und was macht das Leben eines Mannes interessanter als das eines anderen?«
    »Ganz allgemein würde ich sagen, daß wir unvorhersehbare und neue Dinge interessanter finden.«
    »Das läuft beinahe auf eine Tautologie hinaus.« Lord Finkle-McGraw gehörte nicht zu den Leuten, die ihren Gefühlen in allzu verschwenderischem Maße Ausdruck verliehen, schien indessen mit der Wendung, die das Gespräch genommen hatte, halbwegs zufrieden zu sein. Er wandte sich wieder dem Ausblick zu und beobachtete die Kinder etwa eine Minute, während er seinen Spazierstock in den Erdboden trieb, als zweifelte er immer noch an der Stabilität der Insel. Dann schwenkte er den Stock in einem Bogen, der die halbe Insel einschloß. »Was meinen Sie, wie vielen dieser Kinder ist es vorherbestimmt, ein interessantes Leben zu führen?«
    »Nun, zumindest zweien, Sir – Prinzessin Charlotte und Ihrer Enkelin.«
    »Sie schalten schnell, Hackworth, und ich vermute, ohne Ihren festen moralischen Charakter wären Sie durchaus der Verschlagenheit fähig«, sagte Finkle-McGraw nicht ohne eine gewisse Schalkhaftigkeit. »Verraten Sie mir eines, waren Ihre Eltern Subjekte, oder haben Sie den Eid abgelegt?«
    »Sobald ich einundzwanzig war, Sir. Ihre Majestät – zu der Zeit war sie freilich noch Ihre Königliche Hoheit – reiste vor ihrer Aufnahme in Stanford durch Nordamerika, und ich legte den Eid in der Dreifaltigkeitskirche in Boston ab.«
    »Warum? Sie sind ein kluger Mann, nicht blind der Kultur gegenüber wie so viele Ingenieure. Sie hätten der Ersten Verzettelten Republik oder jeder der hundert synthetischen Phylen an der Westküste beitreten können. Sie hätten blendende Möglichkeiten gehabt und wären frei gewesen von dieser ganzen« – Finkle-McGraw zeigte mit dem Spazierstock auf die beiden großen Luftschiffe – »Verhaltensdisziplin, die wir uns selbst auferlegen. Warum haben Sie sich diese Disziplin selbst auferlegt, Mr. Hackworth?«
    »Ohne in Bereiche abzuschweifen, die rein persönlicher Natur sind«, sagte Hackworth bedächtig, »möchte ich sagen, daß ich als Kind zwei Arten von Disziplin kennenlernte: gar keine und zuviel. Ersteres führt zu degeneriertem Verhalten. Wenn ich von Degeneration spreche, so möchte ich nicht dünkelhaft erscheinen, Sir - ich spiele lediglich auf zahlreiche, mir wohlvertraute Umstände an, die meine eigene Kindheit alles andere als idyllisch machten.«
    Finkle-McGraw, der möglicherweise einsah, daß er seine Grenzen überschritten hatte, nickte nachdrücklich. »Das ist selbstverständlich ein vertrautes Argument.«
    »Gewiß, Sir. Ich möchte mir auch nicht die Andeutung anmaßen, ich sei der einzige Jugendliche gewesen, der von meiner späteren heimischen Kultur mißbraucht wurde.«
    »Und ich sehe eine solche Andeutung nicht. Aber viele, die Ihren Standpunkt teilen, haben ihren Weg zu Phylen gefunden, die ein weitaus strengeres Regiment führen

Weitere Kostenlose Bücher