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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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auch nicht mehr Zeit beanspruchte. Das Mädchen wollte ein paar 'siten in ihrem Liftinggitter austauschen lassen, besonders um die Augen, wo sie Fältchen bekam. Das dauerte eine Weile, daher griff Bud wieder zu dem Mediatron und rief einen Raktiven auf, seinen liebsten, mit dem Titel
Halt's Maul oder stirb!
    Der Mod-Künstler wollte Buds Yuks sehen, bevor er die Waffe installierte, was andernorts als Beleidigung hätte verstanden werden können, hier, in den Leasing-Parzellen, aber zur üblichen Geschäftspraxis gehörte. Als er sich vergewissert hatte, daß es sich nicht um eine Verarsche handelte, nakotisierte er Buds Stirn mit einer Spraydose, klappte einen skalpierten Hautlappen nach hinten und stülpte eine Maschine an einem empfindlichen Roboterarm wie ein Zahnarztwerkzeug über Buds Stirn. Der Arm steuerte die alte Waffe automatisch an und bewegte sich mit erschreckender Schnelligkeit und Zielstrebigkeit. Bud, der wegen seiner Muskelstimulatoren schon unter günstigen Bedingungen ein bißchen zappelig war, zuckte etwas zusammen. Aber der Roboterarm war hundertmal schneller als er und entfernte die alte Waffe zielsicher. Der Inhaber verfolgte alles an einem Monitor und mußte nichts anderes tun, als seinen Senf dazugeben: »Das Loch in deinem Schädel ist ziemlich uneben, darum fräst die Maschine es etwas aus - okay, jetzt kommt die neue Knarre.«
    Ein häßliches, klopfendes Gefühl strömte durch Buds Schädel, als der Roboterarm das neue Modell einsetzte. Es erinnerte Bud an seine Jugend, wenn einer seiner Spielkameraden ihm mit einem Luftgewehr vor die Stirn geschossen hatte. Er bekam sofort leichte Kopfschmerzen.
    »Sie ist mit hundert Schuß Popcorn geladen«, sagte der Inhaber, »zum Ausprobieren. Sobald du damit umgehen kannst, lad ich sie scharf.« Er klappte die Haut von Buds Stirn wieder an die alte Stelle, damit sie ohne sichtbare Narben verheilen konnte. Man konnte den Typ extra dafür bezahlen, absichtlich eine Narbe zu hinterlassen, damit jeder wußte, daß man mit Knarre unterwegs war, aber Bud hatte gehört, daß das manche Tussis abtörnte. Buds Beziehung zum anderen Geschlecht wurde durch einen Mischmasch von Urinstinkten, vagen Vermutungen, wirren Theorien, aufgeschnappten Gesprächsfetzen, halb vergessenen schlechten Ratschlägen und Bruchstücken zweifellos übertriebener Anekdoten beherrscht, der auf blanken Aberglauben hinauslief. In seinem Fall schrieb dieser Aberglauben vor, keine Narbe zu verlangen. Außerdem hatte er eine hübsche Sammlung von Visieren - nicht besonders geschmackvolle Sonnenbrillen mit Fadenkreuz im Glas vor dem dominanten Auge. Die wirkten Wunder beim Zielen und waren echt auffällig, so daß jeder wußte, man verarschte keinen Mann, der ein Visier trug.
    »Laß es kreisen«, sagte der Typ und drehte den Sessel - es war ein alter antiker, mit geripptem Vinyl bezogener Friseurstuhl -, so daß Bud eine Schaufensterpuppe in der Ecke des Zimmers sehen konnte. Die Puppe hatte weder Gesicht noch Haare und wies, wie die Wand dahinter, kleine Brandflecken auf.
    »Status«, sagte Bud und spürte, wie das Gewehr als Reaktion darauf leicht summte.
    »Bereitschaft«, sagte er und spürte wieder ein Summen. Er richtete den Blick direkt auf die Puppe.
    »Los«, sagte er. Er hauchte es mit reglosen Lippen, aber das Gewehr hörte es; er spürte, wie ein schwacher Rückstoß seinen Kopf nach hinten drückte und ein verblüffendes P OP von der Schaufensterpuppe ertönte, begleitet von einem Lichtblitz an der Wand über ihrem Kopf. Buds Kopfschmerzen wurden schlimmer, aber das war ihm egal.
    »Das Ding feuert schnellere Munition, also mußt du dich dran gewöhnen, etwas tiefer zu halten«, sagte der Typ. Bud versuchte es noch mal und traf die Schaufensterpuppe diesmal mitten in den Hals.
    »Guter Schuß! Wenn du Hellfire benutzt hättest, hättest du ihn geköpft«, sagte der Typ. »Sieht so aus, als wüßtest du, was du tust -aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Und drei Magazine, so daß du verschiedene Munition laden kannst.«
    »Ich weiß«, sagte Bud, »ich hab das Ding abgecheckt.« Dann, zu dem Gewehr: »Zehn abfeuern, mittlere Streuung.« Darauf sagte er wieder: »Los.« Sein Kopf wurde viel heftiger zurückgeworfen, und zehn P OPS ertönten gleichzeitig auf dem Körper der Puppe und an der Wand dahinter. Das Zimmer wurde allmählich verraucht und roch nach verbranntem Plastik.
    »Du kannst bis zu hundert abfeuern«, sagte der Typ, »aber der Rückstoß würde dir

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