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Dichterliebe: Roman (German Edition)

Dichterliebe: Roman (German Edition)

Titel: Dichterliebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Morsbach
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Dahingehen für sich nicht mehr nur Schlendern, sondern Schlendern ins Nichts, also Vergehen, Entschwinden. Die Assoziation wird bestätigt durch den folgenden Satz: Und was blieb? Die Antwort sind drei Pünktchen … Es bleibt … nichts. Beachte, daß das plötzlich im Präteritum steht. Eigentlich müßt es bleibt heißen, nicht blieb. In der Ewigkeit gibt es keine Zeit. Warum schreibt Morgenstern blieb?«
    » Keine Ahnung.« Etwas gequälter Tonfall.
    » Es gibt nur einen Trost«, sage ich erschöpft, » gegen die Vergänglichkeit. Der bedeutet alles.«
    Schweigen. Ich stehe neben ihrem Stuhl.
    » Und wie ist der Titel?« Ich lege die Hand auf die Lehne.
    Sie denkt nach, aber inzwischen weiß ich: So viel denkt sie gar nicht. Sie sieht nur effektvoll nachdenklich aus.
    » Schauder.«
    Sie schluckt.
    Ich beuge mir zu ihr. » Komm, schließ die Augen …«
    » Nein!«
    » Warum nicht?«
    » Hör zu, Henry! Was soll ich … Der Stuhl zittert!«
    Ich lasse los wie nach einem Stromstoß.
    *
    Sie gleitet seitwärts aus dem Stuhl.
    Ich auf weichen Knien ins Haus. Unter mir rutscht wieder Geröll, ich trinke aber nicht mehr. Ich wähle ihre Nummer, sie hebt nicht ab. Später erreiche ich Gabriel, der mich zu sich einlädt, und dort trinke ich natürlich doch. Auf dem Rückweg in mein kaltes Asyl begegnet mir Sidonie, mit einem Arm voll Wäsche aus dem Keller. Sie sieht aus, als wolle sie was sagen.
    » Ist das die Nacht der Wahrheit?« keuche ich.
    » Nein, eher nicht«, sagt sie rasch und entschwindet.
    *
    Schlecht geschlafen. Frühmorgens hält ich es mich nicht in meiner Bude, und ich laufe auf die Felder hinaus. Der Wind treibt ein Geschwader Ballons heran, eine lautlose Armada: graue Ungetüme in der fahlen, warmen Luft, Flammenstöße, das Knallen der Brenner. Dann geht die Sonne auf und verfärbt alles rotgrau.
    Um elf klopft Sidonie und bringt Kuchen. Ich habe eben Kaffee gekocht.
    » Kein Hunger«, sage ich. Aber dann verschlinge ich alle drei Stücke.
    » Geht es dir besser«, fragt sie.
    » Ich habe Karatschinzew noch mal überarbeitet. Mit dem letzten Kapitel, dem über die Drosseln, war ich unzufrieden, das habe ich neu übersetzt. Gestern nachmittag, ging ganz leicht. Diesmal ist es gelungen.«
    » Na also!«
    » Ach, das war nur der Abgesang, das mit den Drosseln.«
    Vom Kaffee bricht mir der Schweiß aus.
    » Ich fühle mich wie ein Idiot«, sage ich. » Nur falls du dich wunderst, warum ich mich so aufführe – falls du es noch nicht gemerkt hast. Ich bin verliebt. Oder wäre dir das entgangen?«
    » Also ich weiß jetzt nicht … Falls du mich meinst … ich habe dir ja gesagt …«
    » Ja, du hast gesagt. Ich weiß. Du findest, die Nachteile überwiegen. Ich habe darüber nachgedacht. Ich kann damit leben. Ich werde warten, bis du … Ich kann warten. Solange du nicht mit einem anderen …«
    Sie murmelt betreten: » Zu spät.«
    » Wie?«
    » Also ich versuchte dir schon zu sagen …«
    » WIE ?«
    Sie will aufstehen, ich versperre ihr den Weg. » Du hast mich belogen?«
    » Nein, als ich das sagte, stimmte es noch.«
    » Das Fahrrad – die Fahrräder – ich ahnte es! Ich dachte, es wäre was Besonderes zwischen uns, und dann muß ich mir denken, daß du am nächsten Tag genau das gleiche – mit wem? Mit wem? Wer war’s!« schreie ich.
    » Robert.«
    Ich schnappe nach Luft. Das darf nicht … Unser Spaziergang. Ich habe sie geschont, das heißt, ich habe sie heißgemacht, und dann kam er. » Das ist unglaublich! Ich fasse es nicht! Ausgerechnet! Was hat er, was ich nicht habe? Ist es das Alter? Was habe ich falsch gemacht?« Sie sitzt verlegen da, ich renne schreiend um sie herum, das Maß meiner Erniedrigung voll zu machen, warum, warum? » Irgendwas habe ich vergeigt. Ich habe den Moment verpaßt, wo ich dich hätte ins Bett zerren und vögeln müssen. Und während ich vor mich hin träumte und mich verzehrte, kam er, einfach so, und hat dich genommen.«
    Sie schweigt immer noch und seufzt, das Biest.
    » Ich bin blamiert! Ich kann hier niemandem mehr in die Augen sehn. Und euch beide will ich sowieso nicht mehr sehn. Ich muß abreisen.«
    » Du wirst doch nicht wegen so einer Lappalie …«
    » Es ist keine Lappalie, Teuerste. Es ist die Liebe.« Aber sie schüttelt den Kopf, als wisse sie nicht, wovon ich rede. Eigentlich muß ich sie umbringen. Oder mich. Mindestens Robert. Am besten alle drei. » Ich hatte gedacht, das sei erledigt. Plötzlich fing ich wieder an, zu fühlen und zu leben. Am

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