Die 39 Zeichen 05 - Die Rache der Romanows
mich fahren! Komm schon!«
Innerhalb der folgenden dreißig Sekunden bettelte Dan noch neunmal darum, endlich ans Steuer zu dürfen. Dann reichte er Amy doch noch den Reiseführer. Amy schlug den Abschnitt über Sibirien auf und blätterte zu einem Foto mit Bildunterschrift, das ihr schon früher aufgefallen war.
»Hier, hör dir das an. Vor langer Zeit, als es Arbeitslager in Sibirien gab, zwang man die Häftlinge, diese Straße zu bauen. Es war eine lange Straße, ewig lang. Und die Arbeit war furchtbar schwer. Wenn einer der Sträflinge tot umfiel, wurden seine Knochen einfach mit in die Straße eingegraben.«
»Die Knochenstraße«, meinte Dan. »Das klingt sogar in meinen Ohren unheimlich.«
»Es ist aber wahr.«
Amy zeigte ihm das Foto. Mitten in der Einöde standen Männer mit Schaufeln und Spaten. Hinter ihnen erstreckte sich eine lange weiße Straße.
»Das ist ganz nach Hamiltons Geschmack. Die Knochenstraße! So was kann man sich nicht ausdenken.«
»Das M und das S, die in den Stein graviert sind, stehen bestimmt für Magadan in Sibirien. Das ist einer der drei Orte, die noch auf unserer Liste stehen.«
»Und der Pfeil zeigt davon weg, zu dem Knochenhaufen. Wenn man also von Magadan aus sagen wir 52 Kilometer über die Knochenstraße fährt, stößt man auf den nächsten Hinweis.«
»Genau«, bestätigte Amy.
Dan hielt den Stein noch einmal ins Licht und sah sich die eingravierten Zeichen an. Ja, das passte. Zerbrochene Knochen, die Zahl 52 und der Pfeil, der von dem M,S wegzeigte.
»Wir sollten Hamilton anrufen«, schlug Dan vor.
Amy nahm Nellies Handy und hoffte, Hamilton baute nicht gerade wieder Mist oder schlug sich mit den Kabras herum. Aber er ging gleich dran.
»Bist du das, Amy?«, meldete er sich. »Ich hoffe, du hast eine Aufgabe für uns. Mein Vater langweilt sich und wirft schon mit Steinen nach Vögeln. Er glaubt, wir sind auf einer falschen Fährte.«
»Bestimmt nicht!«, erwiderte Amy. »Und ihr macht eure Sache hervorragend. Ihr müsst so schnell wie möglich nach Magadan.«
»Na, da hast du aber Glück«, sagte Hamilton.
»Wie meinst du das?«
»Wir mussten aus Omsk raus. Ein extrem Holt-feindlicher Ort, sag ich dir. Also hab ich gedacht, was soll’s, wahrscheinlich werden wir als Nächstes eh in Magadan gebraucht. Das war die einzige andere Stadt, die du mir genannt hast. Gestern Abend sind wir ins Flugzeug gestiegen. Die Kabras sind uns natürlich gefolgt. Die sind wie ein Klumpen Kaugummi, der einem am Schuh klebt.«
»Hamilton! Du bist ein Genie!«, meinte Amy.
»Endlich mal einer, der das bemerkt.«
Amy schaltete auf laut.
»Also, wo muss ich hin? Ich höre«, sagte Hamilton.
Dan übernahm es, Hamilton die nächste Aufgabe mitzuteilen, worauf der beinahe aus den Latschen kippte.
»Sag das noch mal. Knochenstraße? Und die gibt es wirklich? Wahnsinn. Dan, mach mir nichts vor. Ich weiß, du bist jetzt furchtbar neidisch.«
Dan war wirklich schrecklich frustriert. Er durfte weder Klein-Tim fahren noch zur Knochenstraße. Er wurde eiskalt übergangen!
»Mach dich an die Arbeit, Hamilton«, sagte Amy. »Wir halten uns bereit, um dir den nächsten Hinweis zu geben. Und unterschätz die Kabras nicht. Die schrecken vor nichts zurück. Sie werden alles unternehmen, um euch aufzuhalten.«
»Hammer macht das schon. Ich melde mich wieder.«
Die Verbindung wurde beendet.
Dan schmollte auf dem Beifahrersitz vor sich hin, während Amy genug Mumm sammelte, um Klein-Tim wieder in Bewegung zu setzen. Sie mussten nun entweder nach Moskau oder nach Jekaterinburg. Auf jeden Fall waren sie jetzt ganz nah dran, das Rennen zu beenden, und das nicht eine Minute zu früh. Es waren inzwischen acht Stunden vergangen und die Zeit wurde knapp.
Amy zuckte zusammen, als das Telefon in ihrer Hand vibrierte. Unbekannter Anrufer .
»Hallo?«
»Hi, Amy. Ian hier. Hast du an mich gedacht?«
Ian mit seiner samtigen Stimme, bei der ihr wohlige Schauer über den Rücken liefen.
»Was willst du? Warte mal – woher hast du überhaupt diese Nummer?«
»Ich mach mir Sorgen um dich. Du steckst bis zum Hals in Ärger, Schatz. Pass auf, wem du vertraust.«
»Na, dir und deiner Schwester bestimmt nicht! Und nenn mich nicht Schatz!«
»Hör mal, Amy. Ich hab es auf die nette Art versucht, und es ist ja auch ganz lustig, euch beide zu verfolgen, aber eins solltet ihr wissen.«
»Ach, was denn?«, fragte Amy nach. Sie legte die Hand über das Telefon und informierte Dan, wer sie da anrief.
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