Die 39 Zeichen 08 - Entfuehrung am Himalaya
Limonadenflaschen, Milchshakes und allen möglichen Knabbereien beladen war.
Es war gut, dass Dan den Luxus im Jet in vollen Zügen ausgenutzt hatte, denn am Boden wurde es eher ungemütlich. Der Flughafen bestand aus nicht viel mehr als einer Landebahn, und ihre ›Limousine‹ war, wie sich herausstellte, ein alter VW-Bus, Baujahr 1969.
Der Fahrer sprach kein Wort Englisch und hatte für die vierstündige Fahrt lediglich einen chinesischen Reiseplan dabei. Als sie sich dem Shaolin-Kloster näherten, fielen Dan als Erstes die kleinen Souvenirläden und Restaurants auf. Nicht einmal dieser abgelegene Winkel Asiens hatte seine Ruhe vor dem Tourismus. Und dann sah er es: Auf einem, abseits der Straße, wurde von Dutzenden Lehrern und Schülern eifrig Kung-Fu betrieben. Sie alle trugen die orangefarbene Tracht der Shaolin-Mönche.
Dan presste neugierig die Nase gegen die fliegenverklebte Scheibe des VW-Busses. »Ist das cool!«
»Der reine Wahnsinn«, stimmte ihm Jonah geistesabwesend zu.
Dan bemerkte Jonahs Tunnelblick und wusste sofort, dass der sich schon auf das nächste Zeichen konzentrierte und deshalb seine Umgebung kaum noch wahrnahm. Automatisch
fragte er sich, ob Amy mittlerweile auch so dermaßen in die Jagd vertieft war, dass sie kaum noch einen Gedanken an ihren Bruder verschwendete.
Nachdem der Fahrer sie mit detaillierten Anweisungen, die nur niemand verstand, aus dem Bus gelassen hatte, machten sie sich zu Fuß auf den Weg.
Als sie den Shaolin-Tempel zum ersten Mal erblickten, wirkte er wie ein märchenhaftes Königreich. Eingebettet in den heiligen Berg Song Shan , schien die riesenhafte Anlage mit den merkwürdigen Türmen frei zwischen den Wolken zu schweben.
Das also war die Wiege der asiatischen Kampfsportarten. Auf einmal verstand Dan die Begeisterung, die seine Schwester an den Tag legte, sobald die Jagd sie auf die Spuren der Geschichte führte, die sie so sehr liebte. Als er zwischen den Löwenstatuen stand, die den Haupteingang bewachten, konnte er die Energie aus 1500 Jahren höchster Kampfkunst spüren, die an diesem Ort immer weiter verfeinert worden war.
Wenn Amy dabei gewesen wäre, hätte sie sich sicher dafür gerächt, dass Dan sie in den vielen Museen und Bibliotheken immer so genervt hatte: Was für ein fader Shaolin-Tempel, nein, dieses langweilige Kung-Fu-Zeugs, da schlafen mir ja gleich die Füße ein …
Natürlich würde seine Schwester so etwas nie sagen. Es war schließlich seine Spezialität, das Dan-Cahill-Spezial-Miss-fallen zum Ausdruck zu bringen, sobald er etwas uncool fand. Was, das musste er zugeben, ziemlich häufig vorkam.
Vergiss Amy! Ich bin ein Madrigal! Wir sind eiskalte Mörder! Wir scheren uns nicht um die Familie – wahrscheinlich fressen wir sogar unsere eigenen Kinder…
In Dans Kopf tauchte das Bild seiner Eltern auf. Er erinnerte sich nicht besonders gut an sie, aber die Erinnerungen, die er hatte, waren alles andere als eiskalt. Der Gedanke löste eine tiefe Sehnsucht in ihm aus.
Ein junger Mönch mit rasiertem Kopf und orangefarbener Tracht, die eine Schulter frei ließ, ging auf Broderick zu und deutete auf das Blackberry in seiner Hand.
»Fotografieren verboten«, sagte er mit einem starken Akzent.
»Ich will gar keine Bilder machen«, versprach Jonahs Vater sorglos.
Blitzschnell nahm der Mönch ihm das Gerät ab. »Bekommen später wieder.«
Dan hatte noch nie in seinem Leben eine so schnelle Bewegung gesehen.
Jonahs Vater war empört. »Das ist meine Verbindung zur Welt!«
»Ist schon gut, Paps«, tröstete ihn sein Sohn. »Gönn deinen Fingern mal ’ne Pause.«
Als sie durch das Tor traten, durchsuchte der Mönch jedes Mitglied der Gruppe, insbesondere Jonah.
In der Provinz Henan gibt es wahrscheinlich nicht allzu viele Hip-Hop-Fans, überlegte Dan.
Bald gelangten sie auf den Chang-Tsu-Hof, der von Skulpturen und Fresken eingerahmt war. Dan war fasziniert. Die meisten Abbildungen und Figuren zeigten alle erdenklichen Kung-Fu-Posen.
Vom Hof aus gelangten sie in die Halle der Tausend Buddhas , in deren Mitte ein Schrein aus Bronze und weißer Jade stand.
»Beachten Sie die Unebenheiten im Boden«, erklärte ein Mönch, der eine Gruppe britischer Touristen führte. »Die Vertiefungen hier sind im Laufe von Jahrhunderten bei den Übungen der Shaolin-Lehrer entstanden, die erstklassige Kämpfer waren.«
Dan setzte den Fuß in eine der Vertiefungen und meinte fast die Energie der Lehrer zu spüren.
Obwohl es keine Treppen gab,
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