Die 39 Zeichen 08 - Entfuehrung am Himalaya
Hätte sie sich auch nur einmal umgedreht, statt vor sich nach Jonah Ausschau zu halten, hätte sie bemerkt, dass sie fast auf ihren Bruder getreten wäre, den sie um jeden Preis finden wollte.
Die beiden Mädchen drängten über den am Boden liegenden Dan hinweg nach vorn und folgten der Masse.
»Schneller!«, rief Amy.
Die Herde donnerte durch den Korridor zu Jonahs Umkleide,
doch Nellies scharfe Augen waren auf den Notausgang gerichtet. Dann blieb sie einfach stehen.
»Glaubst du, er hat das Gebäude verlassen?«, keuchte Amy.
»Billie Joe Armstrongs Autogramm bekommst du nur, wenn du deinem Instinkt folgst«, gab sie zurück. »Komm mit!«
Sie stürzten durch die Tür und sahen eine riesige Hummer Stretchlimousine am Straßenrand parken. Das Fenster war heruntergelassen und auf dem Rücksitz saß niemand anderes als Jonah Wizard, der gerade einen Schluck aus einer Wasserflasche nahm.
Plötzlich versperrte ihnen ein Bodyguard den Weg. Doch Jonah rief ihn zurück. »Alles in Ordnung, Bruno. Die Kleine ist meine Cousine.«
Amy sah keine Veranlassung, Smalltalk mit ihm zu betreiben. »Jonah, hast du etwas von Dan gehört?«
Jonah sah sie überrascht an. »Dan, dein Bruder? Wieso sollte ich?«
Diese schlichten Worte wirkten auf Amy wie ein Schuss vor den Bug. Wenn Nellie sie nicht gestützt hätte, wäre sie auf der Stelle zusammengebrochen.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Jonah besorgt.
Amy versuchte ihm zu antworten, doch zwischen ihrem Gehirn und ihrem Mund schien es einen Kurzschluss zu geben. Sie hatte so viel Hoffnung in die Möglichkeit investiert, dass Dan bei Jonah war. Dabei war das völlig verrückt, so, als setzte ein Spieler beim Roulette alles, was er besaß, auf eine einzige Zahl. Und nun stellte sich heraus, dass es die falsche gewesen war …
Er ist weg …
Nicht nur vorübergehend von ihr getrennt, sondern für
immer weg. Es waren nun schon über 24 Stunden vergangen. Er war wirklich verschwunden. Und sie hatte absolut keine Vorstellung, wo sie noch nach ihm suchen sollte.
»Wir wurden von Dan getrennt«, erklärte Nellie Jonah. »Unsere Handys funktionieren hier nicht, deshalb kann er uns nicht erreichen. Wir dachten, er wäre vielleicht zu dir gekommen, weil du am leichtesten zu finden bist.«
Jonah nickte. »Klingt logisch. Ich halte die Augen offen. Vielleicht taucht er ja noch auf.«
»Danke«, flüsterte Amy, die gegen die Tränen ankämpfte. »Ich weiß, wir sind nicht auf derselben Seite, aber Dan ist erst elf. China ist ein riesiges Land und es« – Isabel Kabras Bild flackerte in ihrem Kopf auf – »es sind hier einige gefährliche Leute unterwegs. Es gibt Wichtigeres, als zu gewinnen.«
»Klaro, Wort drauf.« Der Blick des Megastars huschte kurz zum Ausgang. »Kann ich euch mitnehmen? Wenn erst einmal die Polizei hier ist, werdet ihr womöglich noch verhaftet.«
Er winkte sie ins Auto und die Limousine fuhr davon. Amy und Nellie passierten gerade das VIP-Tor des Vogelnestes, als das Objekt ihrer Suche in Begleitung von Jonahs Vater durch den Notausgang nach draußen trat.
Sie hatten Dan um 15 Sekunden verpasst.
Das chinesische Fernsehen zeigte den Chirurgen beim Versorgen der Platzwunde über Dans Augenbraue, dort, wo das Mädchen mit den Geldscheinen sein Gesicht als Startblock für ihren Sprint zur Umkleide missbraucht hatte.
Jonah gab sich zerknirscht. »Tut mir echt leid, Cous. Ich wollte echt nicht, dass du in so einen Tumult gerätst. Meine Schuld.«
Normale Leute warteten in der Notaufnahme stundenlang, bis sie an der Reihe waren. Wenn man allerdings mit dem Wizard-Gefolge unterwegs war, kam dagegen morgens um zwei ein Privatarzt ins Hotel. Das Nähen der Wunde wurde dadurch fast schon zum Luxus.
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte Dan. »Danke für den Arzt.«
»Das war das Geringste, was ich tun konnte. Hör mal, wir haben deine Schwester noch nicht gefunden und es ist unsere letzte Übernachtung in Peking.«
»Ihr fahrt weg?« Was sollte Dan nur ohne Amy und ohne Jonah tun? Konnte er sich in dieser riesigen fremden Stadt wirklich allein durchschlagen?
Jonah nickte. »Ein wenig herumreisen, Leute besuchen. Ich weiß, du kommst auch gut allein zurecht, Cous. Aber als dein Cousin will ich dich nicht allein in Peking sitzen lassen. Das wäre ziemlich uncool.«
»Ich muss Amy finden.«
»Klaro«, stimmte Jonah ihm zu. »Aber sieh mal – wir wissen doch beide, warum wir eigentlich in China sind, und das hat nichts mit Fernsehshows oder Konzerttouren zu
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