Die 39 Zeichen 08 - Entfuehrung am Himalaya
Geräusch, nicht als ob er hohl wäre, irgendwie – anders.
Wenn ich doch nur eine Taschenlampe hätte!
Plötzlich fiel ihm ein, dass er tatsächlich eine Lampe dabeihatte. Nicht sehr hell, aber besser als nichts. Er hielt das linke Handgelenk über den losen Stein und drückte auf den kleinen Knopf, der die Anzeige seiner Armbanduhr erleuchtete.
Der Lichtschein war schwach, doch was er zutage brachte, war unglaublich. Der Stein gehörte nicht zur Höhle. Seine Ränder waren vollkommen glatt. Er musste genau für diese Stelle zugehauen worden sein.
Dan kratzte so lange an den Rändern, bis es ihm gelang, den Stein an einer Ecke anzuheben. Als er ihn aus der Lücke entfernt hatte, legte er den Stein zur Seite und drückte noch einmal auf den Lichtknopf seiner Uhr.
Ein Hochgefühl durchflutete ihn: Er blickte in eine Geheimkammer, die direkt in den Stein gehauen war und die seit wer weiß wie lange keiner entdeckt hatte.
Dan beugte sich dicht darüber und entdeckte die zerfetzten Überreste eines modrigen Tuchs, das – ja, um was war es eigentlich gewickelt?
Er nahm das Päckchen heraus und versuchte es zu öffnen, doch da er mit einer Hand den Schalter für das Licht an seiner Uhr gedrückt halten musste, konnte er mit einer Hand nichts ausrichten. Er kroch ein Stück rückwärts durch die Dunkelheit und legte den Stein wieder über die Öffnung. Dann klemmte er sich das Bündel unter den Arm und begann den mühevollen Rückweg. Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich rückwärts durch den schmalen Gang. Langsam drang wieder Licht zu ihm durch und dann war er endlich wieder im Freien.
Rasch sah er sich im Schrein und in der näheren Umgebung der Statue um. Noch immer war er allein. Erwartungsvoll wickelte er den alten Stoff auf und untersuchte den Inhalt. Dan war schockiert.
Müll. Buchstäblich! Schüsseln und Tassen, zerbrochenes Glas, alles verkohlt und halb geschmolzen.
Wer versteckt denn bitte Abfall und tut so, als wäre er wertvoll und geheim?
Der Junge betrachtete die einzelnen Stücke genauer. Das waren keine Tassen, sondern Messbecher. Und die hohen, dünnen Gefäße waren zerbrochene Reagenzgläser, vielleicht auch Glaspipetten. Und da waren Befestigungsschellen, deren Schrauben verkohlt waren. Das war kein Abfall, es waren Laborgeräte! Und etwas war offensichtlich schief gegangen, denn das Zeug war verkohlt.
Ein Brand. War das nicht wieder typisch Cahill! Seine Eltern, Grace’ Haus, Irina, vor knapp einer Woche erst. Er sah sie noch vor sich, wie sie fiel, als das brennende Haus am Meer unter ihr einstürzte. Es war ein schreckliches Bild, eines, das ihn seit jener schrecklichen Nacht immer wieder heimsuchte.
Seit Grace’ Beerdigung hatte Dan einiges erlebt. Doch das war das erste Mal gewesen, dass er jemanden hatte sterben sehen. Er hatte noch Irinas Gesicht vor sich und fragte sich unwillkürlich, ob auch seine Eltern so ausgesehen hatten, als ihr Leben zu Ende ging.
Nein – ich will nicht mehr darüber nachdenken …
Dan reiste innerlich zurück zu der unterirdischen Kammer in Paris. Das Wandgemälde von Gideon Cahill und seinen vier Kindern – Luke, Jane, Thomas und Catherine –, den Vorfahren der vier Familienzweige. Auch darauf war ein Brand abgebildet gewesen.
Behutsam nahm er eine verkohlte Scherbe zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Glas war dick und hatte Lufteinschlüsse, sodass man kaum hindurchsehen konnte. Die übrigen Teile waren übergroß und klobig. Sie schienen nicht aus Edelstahl oder Aluminium, sondern aus geschmiedetem Eisen zu bestehen. Wie alt mochten die Sachen nur sein?
Dans Herz raste in doppelter Geschwindigkeit. Einen Moment mal! Gideon Cahill war Alchemist gewesen! Konnten das Utensilien aus seinem Labor sein? Und waren sie in dem Feuer verbrannt, das auf jenem Gemälde dargestellt war? Die Provinz Henan war zwar weit weg von Europa, doch 500 Jahre waren auch eine lange Zeit und, so viel stand, die Cahills kamen viel herum.
Dan untersuchte die verbrannten Überreste genauer und hoffte, einen Hinweis zu finden, warum diese Scherben so wichtig waren, dass man sie um die halbe Welt geschleppt und hier versteckt hatte.
Au ! Er hatte sich an einem Stück Glas geschnitten und saugte nun an seinem blutenden Finger. Er konnte Amys Stimme
deutlich hören: Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht mit Glasscherben spielen sollst.
Ach ja?, gab er innerlich zurück. Ich habe sie aber gefunden, nicht du. Und das, obwohl ich aus der Jagd ausgestiegen bin!
Er
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