Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Himmlische Leidenschaft

Titel: Himmlische Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
    Winter 1868
    Im Staatsgebiet von Utah
    »Keine Bewegung. Atmen Sie noch nicht mal.« Die tiefe, emotionslose Stimme des Mannes genügte, um Sarah Kennedy erstarren zu lassen. Und selbst wenn seine Stimme sie nicht gezwungen hätte, reglos zu verharren, dann hätte es der Rest von ihm getan.
    Es war ihr einfach nicht möglich, sich zu rühren oder zu atmen.
    Sarah lag am Rande eines Abgrunds, der Länge nach auf dem Bauch ausgestreckt und plattgedrückt unter dem gewaltigen Gewicht eines Fremden. Der Mann bedeckte ihren Körper vom Kopf bis zu den Zehenspitzen und preßte sie derart fest gegen den kalten Felsboden, daß sie keinen Finger rühren konnte.
    Gott, ist das ein Brocken von einem Mann! dachte sie voller Furcht. Nicht dick. Nur unglaublich groß und schwer.
    Zu groß und schwer.
    Selbst wenn der Fremde von ihr abgerückt wäre, so daß sie sich hätte bewegen können, hätte sie keine Chance in einem Kampf gegen ihn gehabt. Trotz seiner Größe bewegte er sich so schnell und lautlos wie ein Habicht.
    Sarah hatte nicht einmal geargwöhnt, daß sie plötzlich nicht mehr allein unter dem Felsüberhang der niedrigen Höhle war.
    Der Körper des Fremden fühlte sich ebenso hart an wie das kalte, scharfkantige Felsgestein, das ihre Brüste quetschte und sich selbst durch ihre dicke Winterkleidung schmerzhaft in ihre Hüften bohrte. Die lederbehandschuhte Rechte des Mannes lag auf ihrem Mund mit einem Griff, der keinesfalls lockerlassen würde, auch wenn sie sich noch so heftig unter ihm winden oder ihn zu beißen versuchen würde.
    Doch sie verschwendete ihre Kraft nicht mit sinnlosem Gezappel. Eine unglückliche Ehe hatte sie gelehrt, daß sie sogar gegen einen alten Mann, der nicht größer oder schwerer als sie selbst war, keine nennenswerte Chance hatte.
    Und der Mann, der sie in genau diesem Moment auf dem Boden festnagelte, war weder alt noch hatte er ihre Größe und ihr Gewicht.
    Und das war nicht das Schlimmste.
    Trotz der trockenen Winterkälte war die linke Hand des Fremden unbehandschuht. Seine Finger umschlossen einen sechsschüssigen Revolver, der aussah, als wäre er schon sehr häufig zum Einsatz gekommen.
    Als ob Sarahs Peiniger gespürt hätte, daß sie sich nicht gegen ihn wehren würde, lockerte er seinen Griff um ihren Mund nur gerade genügend, daß sie atmen konnte.
    Aber nicht genug, als daß sie um Hilfe hätte schreien können.
    »Ich werde Ihnen nicht weh tun«, sagte der Mann leise an ihrem Ohr.
    Und ob du das tun wirst, dachte sie trostlos. Das ist doch das einzige, wozu die meisten Männer taugen. Zu Brutalität gegenüber Frauen.
    Sie schluckte schweigend gegen die Furcht und die Übelkeit an, die in ihrem Magen rumorte.
    »Immer mit der Ruhe, Kleine«, murmelte der Mann beschwichtigend. »Es ist nicht meine Art, wehrlose Frauen, Pferde oder Hunde zu mißhandeln.«
    Sie hatte diese Redensart seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr gehört. Die Worte erschreckten sie, während sie sie gleichzeitig mit einem Fünkchen Hoffnung erfüllten.
    »Aber wenn Sie den Culpeppers, die sich dort unten am Fuß der Felsen versammeln, in die Hände fallen«, fuhr er fort, »dann gnade Ihnen Gott. Die werden Sie nämlich so zurichten, daß Sie um Ihren Tod betteln. Ihre Gebete werden zwar erhört werden, aber nicht annähernd so schnell, wie es Ihnen lieb wäre.«
    Ein kalter Schauder überlief Sarah, der jedoch nichts mit der Winternacht oder dem eisigen Felsen, auf dem sie lag, zu tun hatte.
    »Nicken Sie, wenn Sie mich verstanden haben«, sagte der Mann.
    Trotz seiner gebildeten Sprache und der Andeutung eines schleppenden südlichen Dialekts war seine Stimme gedämpft, rauh, tödlich.
    Sie nickte.
    »Und jetzt nicken Sie, wenn Sie mir glauben«, fügte er trocken hinzu.
    Ein absurder Drang zu lachen stieg in ihr auf.
    Reine Hysterie, dachte sie. Reiß dich gefälligst zusammen.
    Du hast schon Schlimmeres durchgemacht, ohne gleich vor Angst überzuschnappen.
    Wieder nickte Sarah.
    »Mädchen, ich hoffe inständig, Sie belügen mich nicht.«
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Gut«, murmelte er. »Denn so sicher, wie Gott kleine grüne Äpfel erschaffen hat, so sicher werden wir bis zur Halskrause mit Blei vollgepumpt werden, sobald Sie schreien.«
    Wieder überkam sie ein verrücktes Bedürfnis zu lachen. Sie unterdrückte es.
    Aber nur mit knapper Not.
    Behutsam löste sich die Hand des Fremden von ihrem Mund.
    Sarah gab keinen Laut von sich, während sie langsam und tief Atem holte.

Weitere Kostenlose Bücher