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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Sünde und Schuld. Ave!
    In Turowa-Wolska gab es viele Latrinen, und in allen wälzten sich Papiere mit dem »Lourder Lied«.
    Korporal Nachtigall aus der Gegend von Bergreichenstein, der irgendwo bei einem verängstigten Juden eine Flasche Schnaps aufgetrieben hatte, versammelte ein paar Kameraden um sich, und nun begannen alle den deutschen Text des »Lour der Liedes« ohne den Refrain »Ave« nach der Melodie des Liedes »Prinz Eugen« zu singen.
    Es war ein verdammt häßlicher Marsch, als die vier, die für das Nachtquartier der 11. Kompanie zu sorgen hatten, bei Anbruch der Finsternis auf den Waldweg jenseits des Bächleins gerieten, der nach Liskowiec führen sollte.
    Baloun, der sich zum erstenmal in einer Situation befand, die irgendwohin ins Unbekannte führte, und dem alles – die Finsternis und das »Quartiermachen« – ungewöhnlich geheimnisvoll erschien, faßte plötzlich den entsetzlichen Verdacht, daß alles nicht so harmlos sei.
    »Kameraden«, sagte er leise, während er über den Weg oberhalb des Baches stolperte, »man hat uns geopfert.«
    »Wieso?« brüllte Schwejk ihn leise an.
    »Kameraden, nicht so brülln«, bat Baloun leise, »ich spürs schon im Kreuz, sie wern uns hören und gleich anfangen, auf uns zu schießen. Ich weiß es. Man hat uns vorausgeschickt, damit wir auskundschaften, ob dort kein Feind is, und wenn man schießen hören wird, so wird man gleich wissen, daß man nicht weiter darf. Wir sind Vorpatrouille, Kamerad, wie mirs Korporal Terna gelernt hat.«
    |673| »Also geh voraus«, sagte Schwejk. »Wir wern hübsch hinter dir gehn, damit du uns mit deinem Körper schützt, wenn du so ein Riese bist. Sobald man dich anschießt, laß uns wissen, damit wir rechzeitig ›Nieder‹ machen können. Bist du aber ein Soldat! Er fürchtet sich, daß man auf ihn schießen wird. Grad das soll jeder Soldat sehr gern haben, wenn man auf ihn schießt; je öfter der Feind auf ihn schießt, desto mehr verringern sich die Munitionsvorräte vom Feind, das soll jeder Soldat wissen. Mit jedem Schuß, was ein feindlicher Soldat auf dich abfeuert, vermindert sich seine Kampfkraft. Er is dabei froh, daß er auf dich schießen kann, weil er sich wenigstens nicht mit den Patronen schleppen muß und sichs ihm so leichter läuft.«
    Baloun seufzte tief: »Wenn ich aber zu Haus eine Wirtschaft hab!«
    »Pfeif auf die Wirtschaft«, riet ihm Schwejk, »fall lieber für Seine Majestät den Kaiser. Hat man dir das denn nicht beim Militär gelernt?«
    »Man hats nur erwähnt«, sagte der dumme Baloun. »Man hat uns nur aufn Exerzierplatz geführt, und dann hab ich schon nie mehr von was Ähnlichem gehört, weil ich Bursch geworn bin. – Wenn uns der Kaiser wenigstens besser füttern tät …«
    »Du bist aber eine verflucht unersättliche Sau. Einen Soldaten vorn Gefecht soll man überhaupt nicht füttern, das hat uns schon vor Jahren in der Schule der Hauptmann Untergriez erklärt. Der hat uns immer gesagt: ›Verdammte Kerle, wenns mal zu einem Krieg kommen sollt, wenn ihr ins Gefecht kommen sollt, nicht daß ihr euch vor der Schlacht überfreßt! Wer überfressen is und einen Schuß in den Bauch kriegt, der is fertig, weil alle Suppe und das ganze Kommißbrot nach so einem Schuß ausn Därmen herauskriecht, und so ein Soldat hat gleich eine Entzündung und is fertig. Wenn er aber nichts im Magen hat, so is so ein Bauchschuß für ihn eine Hetz; wie wenn ihn eine Gelse sticht.«
    »Ich verdau schnell«, sagte Baloun, »bei mir bleibt nie viel im Magen. Ich freß dir meinetwegen eine ganze Schüssel Knödl mit Schweinernem und Kraut auf, Kamerad, und in einer |674| halben Stunde scheiß ich dir von allem nicht mehr aus als so auf drei Suppenlöffel, das andere geht dir in mir verloren. Mancher Mensch zum Beispiel sagt, daß, wenn er Pilze ißt, so gehn sie ihm so heraus, wie sie waren, nur sie auswaschen und wieder von neuem sauer kochen, und bei mir im Gegenteil. Ich freß mich dir mit Pilzen an, daß ein anderer zerspringen möcht, und wann ich dann aufn Abort geh, so furz ich dir nur ein bißl gelben Kasch heraus, wie von einem Kind, das andere geht euch in mir verloren.
    In mir, Kamerad«, teilte Baloun Schwejk vertraulich mit, »lösen sich dir sogar Fischgräten und Zwetschkenkerne auf. Einmal hab ichs absichtlich gezählt. Ich hab siebzig Zwetschkenknödel samt Kernen aufgegessen, und wie meine Stunde gekommen is, bin ich hinter die Scheune gegangen, hab drin mit einem Hölzl herumgestochert, hab

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