Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
begann er plötzlich mit gesenktem Kopf in den Straßenstaub zu kotzen; als er genug gekotzt hatte, rief er noch: »Vorwärts, Soldaten!«, fiel abermals auf den Rucksack des Telefonisten Chodounsky und schlief bis Turowa-Wolska, wo man ihn endlich auf Befehl Oberleutnant Lukaschs auf die Beine stellte und vom Wagen hob; es dauerte lange, bevor sich Leutnant Dub nach der langen und schwierigen Unterredung mit Oberleutnant Lukasch soweit erholte, um schließlich erklären zu können: »Logisch beurteilt, habe ich eine Dummheit begangen, die ich vor dem Feinde gutmachen werde.«
Er war allerdings noch nicht ganz bei Besinnung, denn bevor er zu seinem Zuge ging, sagte er zu Oberleutnant Lukasch: »Sie kennen mich noch nicht, aber bis Sie mich kennenlernen werden …!«
»Sie können sich darüber, was Sie aufgeführt haben, beim Schwejk informieren.«
Leutnant Dub ging also, bevor er sich zu seinem Zug begab, zu Schwejk, den er in der Gesellschaft Balouns und des Rechnungsfeldwebels Wanĕk antraf.
Baloun erzählte gerade, daß er zu Hause in der Mühle immer eine Flasche Bier im Brunnen gehabt habe. Das Bier sei so kalt gewesen, daß die Zähne daran stumpf wurden. In andern Mühlen habe man solches Bier zu Quark und Butter getrunken, er aber, in seiner Gefräßigkeit, für die Gott ihn jetzt strafe, habe danach immer noch ein tüchtiges Stück Fleisch verschlungen. Jetzt habe ihn Gottes Gerechtigkeit mit warmem, stinkendem Wasser aus dem Brunnen in Turowa-Wolska bestraft, in das alle wegen der Choleragefahr Zitronensäure gießen mußten, die |666| man gerade vor einem Weilchen ausgegeben hatte, als man schwarmweise Brunnenwasser holen gegangen war. Baloun bekundete die Ansicht, daß man diese Zitronensäure offenbar dazu austeilte, um die Mannschaft auszuhungern. Es sei zwar wahr, daß er sich in Sanok ein wenig angegessen und sogar Oberleutnant Lukasch ihm wieder eine halbe Portion Kalbfleisch überlassen habe, das er diesem von der Brigade gebracht habe, allein es sei schrecklich; er habe doch gedacht, daß man, bis sie hier eintreffen würden, rasten und übernachten und wieder etwas kochen werde. Er war davon schon ganz überzeugt gewesen, als die Feldköche Wasser in die Kessel gossen. Er war sofort zu der Küche gegangen, um nach dem Was und Wie zu fragen, und man habe ihm geantwortet, es sei nur der Befehl gekommen, inzwischen Wasser zu holen, in einer Weile könne wieder der Befehl kommen, das Wasser auszugießen.
In diesem Augenblick näherte sich ihnen Leutnant Dub, und weil er sich selbst gegenüber recht unsicher war, fragte er: »Unterhaltet ihr euch?«
»Wir unterhalten uns, Herr Lajtnant«, antwortete für alle Schwejk, »bei uns is die Unterhaltung in vollem Gang. Es is überhaupt am besten, sich immer gut zu unterhalten. Jetzt unterhalten wir uns grad über Zitronensäure. Ohne Unterhaltung kann ein Soldat nicht sein, so vergißt er wenigstens besser all die Strapazen.«
Leutnant Dub sagte, Schwejk möge ein Stückchen mit ihm gehen, er wolle ihn etwas fragen. Als sie sich ein wenig entfernt hatten, sagte Leutnant Dub mit schrecklich unsicherer Stimme: »Habt ihr euch nicht über mich unterhalten?«
»Keinesfalls, niemals nicht, Herr Lajtnant, nur von der Zitronensäure und Geselchtem.«
»Oberleutnant Lukasch hat mir gesagt, daß ich angeblich etwas aufgeführt haben soll und daß Sie sehr gut darüber informiert sind, Schwejk.«
Schwejk sagte ungemein ernst und nachdrücklich: »Nichts ham Sie aufgeführt, Herr Lajtnant, Sie waren nur zu Besuch in einem öffentlichen Haus. Aber das war wahrscheinlich ein Irrtum. Den Klempner Pimpra vom Ziegelplatz hat man auch immer |667| gesucht, wenn er in die Stadt Blech kaufen gegangen is, und hat ihn auch immer in so einem Lokal gefunden, entweder bei ›Schuha‹ oder bei ›Dvořak‹, so wie ich Sie gefunden hab. Unten war ein Kaffeehaus und oben waren in unserm Fall Weiber. Sie waren wahrscheinlich im Irrtum, Herr Lajtnant, wo Sie sich da eigentlich befinden, denn es war heiß, und wenn der Mensch nicht gewöhnt is zu trinken, so betrinkt er sich in so einer Hitze sogar mit gewöhnlichem Rum, was erst Sie mit Wacholderschnaps, Herr Lajtnant. Ich hab also Befehl gekriegt, bevor wir aufgebrochen sind, Ihnen eine Einladung zu der Besprechung zu überbringen und hab Sie auch bei dem Mädl dort oben gefunden; vor Hitze und dem Wacholderschnaps ham Sie mich gar nicht erkannt und sind dort ausgezogen auf dem Kanapee gelegen. Sie ham dort gar nichts
Weitere Kostenlose Bücher