Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
aufgeführt und ham nicht mal gesagt: ›Sie kennen mich noch nicht‹, aber so was kann jedem passieren, wenns heiß is. Mancher leidet schrecklich dran, ein andrer kommt wieder dazu wie ein blindes Huhn zu einem Korn. Wenn Sie den alten Wejwoda, Polierer in Wrschowitz, gekannt hätten, der hat sich Ihnen, Herr Lajtnant, vorgenommen, daß er nichts trinken wird, womit er sich betrinken könnt. So hat er Ihnen also noch ein Stamperl auf den Weg getrunken und is von zu Haus weggegangen, solche alkoholfreie Getränke suchen. Zuerst hat er sich Ihnen also im Wirtshaus ›Zur Station‹ aufgehalten, hat sich dort ein Viertel Wermut geben lassen und hat angefangen, den Wirt unauffällig auszufragen, was diese Abstinenzler eigentlich trinken. Er hat ganz richtig geurteilt, daß reines Wasser halt auch für Abstinenzler ein hartes Getränk is. Der Wirt hat ihm also erklärt, daß die Abstinenzler Sodawasser, Limonade, Milch und dann Wein ohne Alkohol trinken, kalte Wassersuppe und andere alkoholfreie Getränke. Davon hat dem alten Wejwoda doch nur der alkoholfreie Wein am besten gefalln. Er hat noch gefragt, ob es auch alkoholfreien Schnaps gibt, hat noch ein Viertel getrunken, hat mitn Wirten davon gesprochen, daß es wirklich eine Sünde is, sich oft zu besaufen, worauf ihm der Wirt gesagt hat, daß er alles auf der Welt verträgt, nur nicht einen Besoffenen, was sich anderwärts besauft und dann zu ihm kommt, damit er bei einer Flasche |668| Sodawasser nüchtern wird und noch Krawall schlägt. ›Besauf dich bei mir‹, sagt der Wirt, ›dann bist du mein Mann, aber sonst kenn ich dich nicht.‹ Der alte Wejwoda hat also ausgetrunken und is weitergegangen, bis er Ihnen, Herr Lajtnant, am Karlsplatz in eine Weinhandlung gekommen is, wo er auch manchmal eingekehrt is, und dort gefragt hat, ob sie nicht alkoholfreien Wein ham. ›Alkoholfreien Wein hamr nicht, Herr Wejwoda‹, hat man ihm gesagt, ›aber Wermut oder Sherry.‹ Dem alten Wejwoda wars irgendwie eine Schande, so hat er dort ein Viertel Wermut und ein Viertel Sherry getrunken, und wie er so sitzt, wird er Ihnen, Herr Lajtnant, auch mit so einem Abstinenzler bekannt. Ein Wort gibt das andere, sie trinken jeder noch ein Viertel Sherry und schließlich kommts heraus, daß dieser Herr einen Ort kennt, wo man alkoholfreien Wein verzapft. ›Es is in der Bolzanogasse, man geht über Stufen hinunter, und ein Grammophon is auch dort.‹ Für diese Nachricht hat der alte Wejwoda eine ganze Flasche Wermut aufn Tisch kommen lassen, und dann sind beide in die Bolzanogasse gegangen, wo man über Stufen hinuntergeht und wos ein Grammophon gibt, und wirklich, dort hat man lauter Obstwein verzapft, nicht nur spiritusfreien, sondern sogar ohne Alkohol. Zuerst hat sich jeder einen halben Liter Stachelbeerwein geben lassen, dann einen halben Liter Ribislwein, und wie sie noch einen halben Liter alkoholfreien Stachelbeerwein ausgetrunken ham, sind ihnen nach allen den früheren Wermuts und Sherrys die Füße eingeschlafen, sie ham angefangen zu schrein, man soll ihnen die amtliche Bestätigung bringen, daß das, was sie hier trinken, alkoholfreier Wein is. Daß sie herich Abstinenzler sind, und wenn mans ihnen herich nicht gleich bringt, wern sie hier herich alles mitsamtn Grammophon zerdreschen. Dann ham die Polizisten beide über die Stufen in die Bolzanogasse hinaufziehn müssen und ham sie in die Gemeindetruhe legen und in die Separation werfen müssen. Und zum Schluß hat man dann beide als Abstinenzler wegen Trunkenheit verurteiln müssen.«
»Warum erzähln Sie mir das?« rief Leutnant Dub, der durch diese Rede ganz nüchtern geworden war.
|669| »Melde gehorsamst, Herr Lajtnant, daß es eigentlich nicht zusammgehört, aber wenn wir uns schon so erzählen …«
Leutnant Dub fiel in diesem Augenblick ein, daß ihn Schwejk abermals beleidigt habe, und da er bereits bei ganz klarem Bewußtsein war, schrie er Schwejk an: »Du wirst mich einmal kennenlernen! Wie stehst du eigentlich?«
»Melde gehorsamst, daß ich schlecht steh, ich hab, melde gehorsamst, vergessen, die Fersen zusammzuschlagen. Gleich wer ichs machen.«
Schwejk stand schon wieder in der besten Habtachtstellung.
Leutnant Dub dachte nach, was er noch sagen solle, aber zum Schluß sagte er nur: »Gib dir acht, damit ich dirs nicht zum letztenmal sagen muß.« Worauf er als Ergänzung seinen alten Spruch abänderte: »Du kennst mich noch nicht, aber ich kenne dich.«
Als Leutnant Dub Schwejk verließ, dachte
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