Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
gehen, er wollte sogar mit dem Studium des Stabskurses beginnen.
Aber eines Tages betrank er sich und ging ins Kloster, ließ den Säbel und griff zur Kutte. Er fand Zutritt beim Erzbischof auf dem Hradschin, und es gelang ihm, ins Seminar zu kommen. Bevor er die Weihen empfing, betrank er sich bis zur Bewußtlosigkeit in einem sehr anständigen Hause mit Damenbedienung in der Gasse hinter Wejwoda und ging geradewegs aus dem Taumel der Wollust und Freude hin, um die Weihen zu empfangen. Nach der Einweihung ging er zu seinem Regiment, um sich Protektion zu verschaffen, und als er zum Feldkuraten ernannt wurde, kaufte er ein Pferd, ritt durch die Prager Straßen und beteiligte sich lustig an allen Gelagen der Offiziere seines Regiments.
Auf dem Gang des Hauses, in dem er wohnte, wurden häufig Flüche unbefriedigter Gläubiger laut. Er brachte auch Straßenmädchen in seine Wohnung oder ließ sie von seinem Burschen holen. Sehr gern spielte er Färbl, und es wurde auch gemunkelt, daß er falschspiele; aber niemand konnte ihm nachweisen, daß er in dem weiten Ärmel seines Militärpriesterrockes ein As versteckt habe. In Offizierskreisen nannte man ihn den Heiligen Vater.
Für die Predigten bereitete er sich niemals vor, wodurch er sich von seinem Vorgänger unterschied, der gleichfalls den Garnisonsarrest besucht hatte. Das war ein Mensch, der mit der fixen Idee behaftet war, die im Garnisonsarrest eingesperrte Mannschaft ließe sich von der Kanzel herab bessern. |90| Dieser ehrenwerte Kurat verdrehte fromm die Augen, setzte den Arrestanten auseinander, daß eine Reform der Huren und eine Reform der Fürsorge für unverheiratete Mütter erforderlich sei, und sprach auch von der Erziehung unehelicher Kinder. Seine Predigt hatte einen abstrakten Charakter, hatte nichts gemein mit der augenblicklichen Situation und langweilte.
Feldkurat Otto Katz dagegen hielt Predigten, auf die sich alle freuten.
Es war ein feierlicher Augenblick, wenn man die Insassen von Nummer 16 in Unterhosen in die Kapelle führte. Die Arrestanten ankleiden zu lassen wäre nämlich mit dem Risiko verbunden gewesen, daß einer von ihnen hätte ausbrechen können.
Diese zwanzig weißen Unterhosen stellte man wie Engel unter die Kanzel. Einige von ihnen, denen Fortuna lächelte, verbargen im Mund Zigarettenstummel, die sie unterwegs gefunden hatten, denn sie hatten – natürlich – keine Taschen, in denen sie sie hätten verstecken können.
Um sie herum standen die andern Arrestanten des Garnisonsarrestes und ergötzten sich an den zwanzig Unterhosen unter der Kanzel, auf die der Feldkurat sporenklirrend hinaufkletterte.
»Habtacht!« schrie er, »zum Gebet, alle mir nach, was ich sagen werde! Und du hinten, du Lump, schneuz dich nicht in die Hand, du bist im Tempel Gottes, oder ich laß dich einsperren. Ob ihr wohl, ihr Saukerle, noch nicht das Vaterunser vergessen habt? Also probieren wirs … No, ich hab gewußt, daß es nicht gehn wird. Woher denn das Vaterunser, ja, so zwei Portionen Fleisch und Bohnensalat auffressen, sich aufs Kavallett auf den Bauch legen, in der Nase bohren und nicht an Gott denken, das wär was – hab ich nicht recht?«
Er blickte von der Kanzel auf die zwanzig weißen Engel in Unterhosen, die sich ebenso wie alle andern vortrefflich unterhielten. Hinten spielte man »Maso« 3 .
»Das is sehr fein«, flüsterte Schwejk seinem Nachbar zu, auf dem der Verdacht haftete, er habe für drei Kronen seinem Kameraden |91| mit einer Axt alle Finger an einer Hand abgehackt, um ihn vom Militär zu befreien.
»Es kommt noch besser«, lautete die Antwort, »heute is er wieder ordentlich besoffen, da wird er wieder vom dornigen Pfad der Sünde quatschen.«
Der Feldkurat war heute wirklich ausgezeichnet gelaunt. Er wußte selbst nicht, warum er dies tat, aber er beugte sich fortwährend von der Kanzel hinab und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre hinuntergefallen.
»Singt etwas, Jungens«, schrie er hinunter, »oder wollt ihr, daß ich euch ein neues Lied lern? Also singt mit mir:
Von allen doch am liebsten
hab ich die Liebste mein,
geh zu ihr nicht allein.
Viele seh ich zu ihr gehen
und um ihre Liebe flehen,
und wer ist denn meine Liebste?
die Jungfrau Maria …
Ihr werdets nie erlernen, ihr Klacheln«, fuhr der Feldkurat fort, »ich bin dafür, euch alle zu erschießen, versteht ihr mich gut? Das behaupte ich von dieser göttlichen Stelle herab, ihr Taugenichtse, denn Gott ist etwas, was sich nicht
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