Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
vor euch fürchtet und was mit euch umspringen wird, bis ihr davon blöd sein werdet, denn ihr zögert, euch Christus zuzuwenden, und geht lieber auf dem dornigen Pfad der Sünde.«
»Da is es schon, er is ordentlich besoffen«, flüsterte freudig der Nachbar Schwejks.
»Der dornige Pfad der Sünde, ihr vertrottelten Klacheln, ist der Pfad des Kampfes mit dem Laster. Ihr seid verlorene Söhne, die sich lieber im ›Einzel‹ wälzen, als zum Vater zurückzukehren. Richtet euren Blick nur weiter und höher in die himmlischen Fernen, und ihr werdet siegen, und Frieden wird sich in eure Seele senken, ihr Lausejungen. Ich möcht mir ausbitten, daß dort hinten jemand schnaubt. Er ist kein Pferd und ist nicht in einem Stall, sondern im Tempel Gottes. Drauf |92| mach ich euch aufmerksam, meine Lieblinge. So, wo hab ich denn aufgehört. Ja, über den Seelenfrieden, sehr gut. Merkt euch, ihr Rindviecher, daß ihr Menschen seid und daß ihr auch durch eure getrübten Augen in den weiten Raum blicken und wissen müßt, daß hier alles nur eine gewisse Zeit währt, aber daß Gott ewig ist. Sehr gut, nicht wahr, meine Herren? Ich sollte Tag und Nacht für euch beten, daß der barmherzige Gott, ihr blöden Kerls, seine Seele in eure kalten Herzen ergießt und mit seiner heiligen Gnade eure Sünden abwäscht, damit ihr auf Ewigkeit rein seid und damit er euch, ihr Lumpen, immerdar liebt. Da irrt ihr euch aber. Ich werde euch nicht ins Paradies einführen.« Der Feldkurat rülpste. »Nein und nein«, wiederholte er hartnäckig, »nichts werde ich für euch tun, fällt mir gar nicht ein, weil ihr unverbesserliche Lumpen seid. Auf euren Wegen wird euch nicht die Güte des Herrn geleiten, der Odem Gottes wird euch nicht umwehn, weil es dem lieben Gott gar nicht einfällt, sich mit solchen Halunken abzugeben. Hört ihr, ihr dort unten in den Unterhosen?«
Die zwanzig Unterhosen blickten empor und sagten wie mit einer Stimme: »Wir melden gehorsamst, daß wir hören.«
»Es genügt nicht, nur zu hören«, setzte der Feldkurat seine Predigt fort, »die dunkle Wolke des Lebens, in der euch Gottes Lächeln nicht von Kummer befreit, schwebt über euch, ihr Idioten, denn die Güte Gottes hat auch ihre Grenzen, und du Maulesel dort hinten, verkutz dich nicht, sonst laß ich dich einsperren, daß du schwarz wirst. Und ihr dort unten, glaubt nicht, daß ihr in einer Schnapsbude seid. Gott ist im höchsten Maß barmherzig, aber nur für anständige Menschen und nicht für den Auswurf der menschlichen Gesellschaft, der sich nicht nach seinen Gesetzen und nicht einmal nach dem Dienstreglement richtet. Das hab ich euch sagen wollen. Beten könnt ihr nicht, und ihr denkt, daß in die Kapelle gehen ein Jux ist, ihr denkt, daß hier ein Theater oder Kino ist. Das werde ich euch aus dem Kopf schlagen, damit ihr nicht glaubt, daß ich dazu da bin, damit ich euch unterhalte und euch Freude am Leben gebe. Alle sperr ich euch ins ›Einzel‹, das tu ich, ihr Lumpen. Ich verlier Zeit mit euch und seh, daß das alles rein |93| umsonst ist. Wenn der Feldmarschall und der Erzbischof selbst hier wären, würdet ihr euch nicht bessern und Gott zuwenden. Und doch werdet ihr euch einmal an mich erinnern, daß ichs gut mit euch gemeint hab.«
Zwischen den zwanzig Unterhosen wurde ein Schluchzen laut. Schwejk hatte zu weinen begonnen.
Der Feldkurat blickte hinunter. Dort stand Schwejk und wischte sich mit den Fäusten die Augen ab. Ringsherum machte sich freudige Zustimmung bemerkbar.
Der Feldkurat fuhr fort, indem er auf Schwejk zeigte: »An diesem Menschen soll sich jeder ein Beispiel nehmen. Was tut er? Er weint. Weine nicht, sage ich dir, weine nicht. Du willst dich bessern? Das wird dir nicht so leicht gelingen, mein Lieber. Jetzt weinst du, und bis du von hier in die Zelle zurückkehrst, wirst du wieder grad so ein Lump sein wie vorher. Du mußt noch viel über die unendliche Gnade und Barmherzigkeit Gottes nachdenken, dir viel Mühe nehmen, damit deine sündhafte Seele in der Welt den rechten Weg findet, auf dem du schreiten sollst. Heute sehen wir, daß hier ein Mann in Tränen ausgebrochen ist, der umkehren will, und was macht ihr andern? Gar nichts. Der da kaut an etwas, wie wenn seine Eltern Wiederkäuer wären, und die dort wieder suchen sich im Tempel Gottes Läuse im Hemd. Könnt ihr euch denn nicht zu Haus kratzen, und müßt ihr es euch grad zum Gottesdienst aufheben? Herr Stabsprofos, Sie kümmern sich auch um nichts. Ihr seid doch alle
Weitere Kostenlose Bücher