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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Seelen aller erfüllte, war nicht der Mystizismus Gläubiger oder die Frömmigkeit wahrer Katholiken. Es war ein Gefühl wie im Theater, wenn wir den Inhalt eines Stücks nicht kennen, die Handlung sich verwirrt und wir neugierig warten, wie sie sich entwickeln wird. Sie versenkten sich in das Bild, das |96| ihnen der Feldkurat am Altar mit großer Opferfreudigkeit bot.
    Sie gaben sich dem ästhetischen Genuß des Ornats hin, das der Feldkurat verkehrt angezogen hatte, und beobachteten mit innigem Verständnis und Eifer alles, was sich beim Altar begab. Der rothaarige Ministrant, ein Deserteur aus Küsterkreisen, Spezialist in kleinen Diebstählen beim 28. Regiment, war bestrebt, die ganze Reihenfolge, die Technik und den Text der heiligen Messe aus dem Gedächtnis hervorzuholen. Er war gleichzeitig Ministrant und Souffleur des Feldkuraten, der mit vollendetem Leichtsinn ganze Sätze überwarf und statt der gewöhnlichen Messe im Meßbuch bis zur Adventandacht kam, die er zur allgemeinen Zufriedenheit des Publikums zu singen begann.
    Er hatte weder Stimme noch Gehör, und unter der Wölbung der Kapelle ertönte ein Winseln und Kreischen wie in einem Schweinestall.
    »Der is aber heut besoffen«, sagten die vor dem Altar mit voller Befriedigung, »den hats gepackt! Der hat sich wieder gegeben! Gewiß hat er sich bei Weibern besoffen.«
    Und vielleicht schon zum drittenmal ertönte vor dem Altar der Gesang des Feldkuraten: »Ite missa est!« wie das Kriegsgeheul von Indianern, daß die Fenster zitterten.
    Dann schaute der Feldkurat noch einmal in den Kelch, ob nicht doch noch ein Tröpfchen Wein übriggeblieben sei, machte eine verdrießliche Gebärde und wandte sich an die Zuhörerschaft: »So, jetzt könnt ihr schon nach Hause gehn, ihr Lumpen, es ist schon Schluß. Ich hab bemerkt, daß ihr nicht die wahre Frömmigkeit zeigt, wie ihr sie an den Tag legen sollt, wenn ihr in der Kirche vor dem Angesicht der heiligsten Altarsakramente steht, ihr Lauskerle! Angesicht in Angesicht mit Gott dem Herrn schämt ihr euch nicht, laut zu lachen, zu husten und zu kichern, mit den Füßen zu scharren, noch dazu vor mir, der die Jungfrau Maria, Jesus Christus und Gott Vater vertritt, ihr Lumpen. Wenn sich das nächstens wiederholt, so werde ich euch Mores lehren, wie sichs gehört und gebührt, damit ihr wißt, daß es nicht nur die Hölle gibt, von der ich euch |97| das vorletztemal gepredigt hab, sondern daß es auch eine Hölle auf Erden gibt, und wenn ihr euch auch vor der ersten retten könntet, vor dieser werdet ihr euch nicht retten. Abtreten!«
    Der Feldkurat, der eine so verflucht alte wohltätige Einrichtung wie den Besuch von Sträflingen so schön in Wirklichkeit umsetzte, verschwand in der Sakristei, kleidete sich um, ließ sich aus dem Demijohn 4 in eine Kanne Meßwein einschenken , trank ihn aus und setzte sich mit Hilfe seines Ministranten auf sein im Hof angebundenes Reitpferd; aber dann erinnerte er sich Schwejks, kletterte hinunter und ging in die Kanzlei zu Auditor Bernis.
    Untersuchungsauditor Bernis war ein Gesellschaftsmensch, ein bezaubernder Tänzer und moralisch verkommenes Subjekt. Er langweilte sich schrecklich und schrieb deutsche Gedenkbuchverse, um immer einen Vorrat davon bereit zu haben. Er war der wichtigste Teil des ganzen Militärgerichtsapparates, denn er hatte eine so ungeheure Menge von unerledigten und verwickelten Akten, daß er dem ganzen Kriegsgericht auf dem Hradschin Respekt einflößte. Er pflegte das Anklagematerial zu verlieren und war gezwungen, neues zu ersinnen. Er verwechselte die Namen, verlor die Fäden der Klage und spann neue, wie es ihm einfiel. Er verurteilte Deserteure wegen Diebstahls und Diebe wegen Desertion. Er spann sogar politische Prozesse, die er aus der Luft griff. Er machte den unmöglichsten Hokuspokus, um Angeklagte eines Verbrechens zu überführen, das sich diese niemals hatten träumen lassen. Er ersann Majestätsbeleidigungen und unterschob die ausgedachten inkriminierenden Aussprüche immer jemandem, dessen Anklage oder Strafanzeige in diesem undurchdringlichen Chaos von Amtsakten und Zuschriften verlorengegangen war.
    »Servus«, sagte der Feldkurat, ihm die Hand reichend, »wie gehts?«
    »Mäßig«, antwortete Untersuchungsauditor Bernis, »man hat mir das Material überworfen, und nicht mal der Teufel kennt sich drin aus. Gestern hab ich das schon durchgearbeitete Material über einen Fall von Meuterei hinaufgeschickt, |98| und sie haben mirs

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