Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
keine Gelegenheit zum Entwischen zu geben.
|87| Wenn diese Unterhosen sauber und nicht die Gitter in den Fenstern gewesen wären, dann hätte man auf den ersten Blick geglaubt, daß man sich in der Garderobe eines Bades befinde.
Schwejk wurde von Feldwebel Řepa dem »Zimmerkom mandanten « übergeben, einem unrasierten Kerl in offenstehendem Hemd. Der notierte Schwejks Namen auf ein Blatt Papier, das an der Wand hing, und sagte ihm: »Morgen gibts eine große Hetz. Man wird uns in die Kapelle zur Predigt führen. Wir, die in Unterhosen, stehn grad unter der Kanzel. Das wird eine Hetz sein!«
So wie in allen Gefängnissen und Strafanstalten, erfreute sich auch im Garnisonsarrest die Hauskapelle einer großen Beliebtheit. Es handelte sich darum, die Besucher durch den erzwungenen Besuch der Gefängniskapelle Gott näherzubringen oder den Arrestanten eingehende Kenntnisse über Sittlichkeit beizubringen. Von solchen Dummheiten kann nicht die Rede sein.
Der Gottesdienst und die Predigten waren eine hübsche Unterbrechung der Langweile des Garnisonsarrestes. Es ging nicht darum, Gott nahezukommen, sondern um die Hoffnung, auf den Gängen und auf dem Weg über den Hof einen Zigaretten- oder Zigarrenstummel zu finden. Gott wurde vollkommen von einem kleinen Stummel verdrängt, der sich hoffnungslos in einen Spucknapf oder irgendwo auf dem Boden in den Staub verirrt hatte. Dieser kleine stinkende Gegenstand siegte über Gott und über die Erlösung der Seele.
Und dann folgte noch die Predigt, dieser großartige Jux. Feldkurat Otto Katz war doch nur ein reizender Mensch. Seine Predigten waren ungewöhnlich fesselnd, spaßig, erquickend in der Langweile des Garnisonsarrestes. Er verstand es so schön, von der unendlichen Gnade Gottes zu faseln, die verlotterten Arrestanten und entehrten Männer geistig zu erbauen. Er verstand es so schön, von der Kanzel und vom Altar herab zu schimpfen. Verstand es so wundervoll, beim Altar sein »Ite missa est« zu brüllen, den ganzen Gottesdienst auf originelle Art durchzuführen, die Ordnung der heiligen Messe durcheinanderzuwerfen und, wenn er schon sehr betrunken |88| war, neue Gebete und eine neue heilige Messe zu ersinnen, seinen eigenen Ritus, etwas noch nie Dagewesenes.
Und dann das Hallo, wenn er zuweilen ausrutschte und mit dem Kelch, mit dem heiligen Sakrament oder dem Meßbuch hinfiel und den Ministranten aus der Arrestantenabteilung laut beschuldigte, er habe ihm ein Bein gestellt, und ihm sofort vor den allerheiligsten Sakramenten Einzelhaft und Spangen aufpfefferte.
Und der Betroffene freut sich, denn das gehört mit zu diesem ganzen Jux in der Gefängniskapelle. Er spielt eine große Rolle in dem Stück und entledigt sich ihrer würdig.
Feldkurat Otto Katz, der vollendetste Kriegspriester, war Jude.
Das ist übrigens nichts Merkwürdiges, Erzbischof Kohn 1 war gleichfalls Jude und ein Freund Machars 2 obendrein. Feldkurat Otto Katz hatte eine noch buntere Vergangenheit als der berühmte Erzbischof Kohn.
Er hatte die Handelsakademie absolviert und als Einjährigfreiwilliger gedient. Und war im Wechselrecht und im Umgang mit Wechseln so gut bewandert, daß er die Firma Katz & Co. innerhalb eines Jahres zu einem so glorreichen und gelungenen Bankrott brachte, daß der alte Herr Katz nach einem Ausgleich mit seinen Gläubigern, ohne ihr Wissen und ohne das seines Gesellschafters, der nach Argentinien auswanderte, nach Nordamerika abdampfte.
Als also der junge Otto Katz Nord- und Südamerika mit der Firma Katz & Co. uneigennützigerweise beschenkt hatte, befand er sich in der Situation eines Menschen, der kein Erbteil zu erwarten hat, nicht weiß, wohin er seinen Kopf betten soll, und sich beim Militär aktivieren lassen muß.
Vorher aber hatte der Einjährigfreiwillige Otto Katz einen famosen Einfall. Er ließ sich taufen. Bekehrte sich zu Christus, damit dieser ihm helfe, Karriere zu machen.
Er bekehrte sich zu ihm mit dem restlosen Vertrauen, daß |89| dies eine geschäftliche Angelegenheit zwischen ihm und Gottes Sohn sei.
Er wurde feierlich in Emmaus getauft. Pater Alban tauchte ihn ins Taufbecken. Es war ein wundersames Schauspiel, ein frommer Major des Regiments, bei dem Otto Katz diente, war dabei, dann eine alte Jungfer aus dem Adeligenstift auf dem Hradschin und ein großmäuliger Vertreter des Konsistoriums, der Pate stand.
Die Offiziersprüfung fiel gut aus, und der neue Christ Otto Katz blieb beim Militär. Anfangs schien es ihm, als würde alles gut
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