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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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einem Stuhl davor und im Halbkreis darum herum ein Dutzend Sessel, vor den meisten Stehaschenbecher.
    Mein Platz war am Tisch. Darauf standen ein Glas und eine Karaffe Wasser, mehr nicht.
    Geladen waren außer mir: Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der SED sowie des Nationalen Verteidigungsrates und leitender Funktionär der Abteilung Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel; Horst Sindermann, Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates und Präsident der Volkskammer; der erst im Mai auf eigenen Wunsch beurlaubte Generaloberst Markus Mischa Wolf, ehemals Leiter des Außenpolitischen Nachrichtendienstes und ehemaliger 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit. Diese Männer waren in Zivilkleidung gekommen. Die anderen, ich zählte neun, waren in Uniform, darunter ein Oberst und ein Major der Nationalen Volksarmee, ein Generalmajor der Deutschen Volkspolizei und ein Generalleutnant der NVA, der für die militärische Aufklärung zuständig sei. Die Funktionen der anderen Herren wurden mir nicht genannt.
    Hager sprach: »Ohne Umschweife!« Man glaube zu wissen, was ich in der Sowjetunion gemacht habe. Genauer gesagt: Man wisse es. Ich müsse ihm keine Antwort geben. Wenn ich mit meinem Wort gebunden sei, müsse ich ihm keine Antwort geben. Frau Prof. Jirtler und Oberst Nguyen Quoc Hung hätten gestanden. Sie hätten sich gesträubt, aus falsch verstandener Loyalität hätten sie sich erst gesträubt, aber am Ende hätten sie bestätigt, was man ohnehin schon lange wisse. Ich dürfe getrost sein, meinen Freunden sei nichts zugestoßen und werde auch nichts zustoßen, großartige Menschen, rundweg großartige Menschen. Man habe mich, trotz höchster Hochschätzung, wahrscheinlich unterschätzt. Er, Hager, habe mich unterschätzt.
    »Was weiß man?«, fragte ich.
    »Alles.«
    »Was weiß man?«
    »Alles lässt sich nicht steigern.« Und daran anschließend, ohne auch nur Luft zu holen: »Können Sie in die Zukunft sehen, Herr Professor Koch?« Er schaute triumphierend in die Runde, meinte, mich überrumpelt zu haben, er, das Naturtalent eines Verhörtechnikers, der es nicht nötig hatte, bei den Genossen Mielke, Dzierzynski, Jagoda, Jeschow und Berija in die Schule zu gehen.
    »Weiß nicht«, antwortete ich.
    »Heißt ›Weiß nicht‹ in Ihrer Sprache ja?«
    »Weiß nicht.«
    »Es heißt also ja.«
    »Weiß nicht.«
    »Er kann also in die Zukunft sehen.«
    Das löste größte Aufregung aus. – Weil ich so viel Wasser getrunken hatte, musste ich auf die Toilette.
    Günter Mittag meldete sich zu Wort, freundschaftlich: »In medias res!« Auch in unserem Land sei man an gewissen Forschungen interessiert. Auch in unserem Land wisse man, dass gewisse psychokinetische und parapsychologische Phänomene zu untersuchen nicht im Widerspruch zum historischen Materialismus stehe. Warum ich mich denn nicht den entsprechenden Stellen hier anvertraut hätte. Man sei hier diesbezüglich nicht schlechter präpariert als in der Sowjetunion. Und auch er in einem harten Schnitt: »Können Sie Gedanken lesen, Herr Professor Koch?«
    Ich antwortete nicht.
    »Können Sie?«
    Ich antwortete nicht.
    »Können Sie!«
    Ich antwortete nicht.
    Das löste noch größere Aufregung aus. Die Militärs schirmten ihre Augen vor mir ab.
    Weil ich wieder so viel Wasser getrunken hatte, musste ich wieder auf die Toilette. In der Garderobe hingen die Mäntel der Herren, Privatmäntel und Mäntel der Nationalen Volksarmee. In jedem fand ich eine Brieftasche, berstend von Valuta. Ich räumte ab und kehrte mit vollen Taschen, Hose wie Jacke, zurück.
    Horst Sindermann meldete sich zu Wort: »Bleiben wir sachlich!« Die Frage, die uns bewege, gewiss auch den Genossen Professor Koch, laute: Wie können parapsychologische Fähigkeiten in den Dienst von Humanität und Sozialismus gestellt werden? Die Forschungen von Bechterew und Wassiliew aus den zwanziger Jahren seien in unserem Land ebenso wenig vergessen wie die großartigen Versuche von Wolf Gregorewitsch Messing in den dreißiger Jahren unter dem Schutz von Stalin, der, wie allgemein bekannt, großes Interesse an der Parapsychologie gehabt habe, eben aus den in der Frage angesprochenen Gründen. Immerhin habe Messing den Zweiten Weltkrieg vorausgesagt und auch den glorreichen Sieg der Sowjetunion – und dann noch, wenn er das erzählen dürfe, diese köstliche Anekdote, als Messing ungehindert in Stalins Büro marschiert sei, weil er die Gedanken

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