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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Werks, gar annehmen, daß inzwischen der Löwe und sein Biopharmaunternehmen für Ryu schufteten statt umgekehrt – dafür nämlich, daß Ryu den ganzen Tag Schöngeistiges und Grundlagenforscherisches begutachten, koordinieren, finanzieren durfte.
    Der Herr als Knecht des Knechts – darüber sollten sich andere die Köpfe zerbrechen, Wirtschaftsprüfer und Marxisten, Ryu aber sagte sich: »Wirklich, ich mach das Beste draus«, manchmal sogar beim Rasieren, morgens, und der andere Ryu im Spiegel war seiner Meinung.
    Die Geldvernunft, in deren Parametern der Finanzier agierte, schien ihm die vernünftigste Vernunft, die im Diesseits zu haben war. Das Schönste fand er, daß er allmählich ein sehr freies, sehr fungibles Verhältnis zur eigenen Identität bekam und sich nicht mal mehr besonders dran störte, daß selbst seine rund um den Erdball verteilten Leidenschaften (mit Teresa in Santiago, mit Ellen May in Kapstadt, mit Miss Emma Frost (delectable!) im Hellfire Club von Westchester oder dem engelhaften Umberto in Mailand, der ihm danach, während der Mond seinen höchsten Punkt erreichte, auf dem Balkon stundenlang aus D'Annunzio vorlas, und Ryu verstand kein Wort) der Differenzierung von Person und Besitz gehorchen mußten, weil er eben »vermögend« war und immer vermögender wurde, als Katalysator einer großen Weltveränderung, die er bei sich »die Beseitigung der Langeweile und die Überwindung des Menschen« zu nennen begonnen hatte.

    Ihm gehörte, was geschah, er besaß es, indem er es vollbrachte, aber er war es gar nicht, es gab ihn immer weniger, und er las im Privatjet Georg Simmel: »Der Besitz, der nicht irgend ein Tun ist, ist eine bloße Abstraktion: Der Besitz als der Indifferenzpunkt zwischen der Bewegung, die zu ihm hin, und der Bewegung, die über ihn fortführt, schrumpft auf Null zusammen; jener ruhende Eigentumsbegriff ist nichts als das in latenten Zustand übergeführte aktive Genießen oder Behandeln des Objektes und die Garantie dafür, daß man es jederzeit genießen oder etwas mit ihm tun kann.« Ryu umspielte, umspülte die Dinge, statt sie zu greifen, er verflüssigte sich, und das gefiel ihm und machte ihm angst. Er war nicht zu fassen, er war sich und allen andern entwischt.

    Sein Funktelefon dudelte. Er ging ran.
    Es war die Komponistin: »Hallo, Ryu. Ich wollte dir was sagen, was mir grad eingefallen ist.« Um mich zu ärgern, dachte er. Um mich zu foltern. Denn inzwischen kannte er sie gut.
    Sie lebte jetzt auf einer pazifischen Insel, wo sie, wie sie sagte, »besser arbeiten« konnte – der Löwe hatte ihr das Eiland gekauft. Der Bau, den sie dort bewohnte, entsprach in lächerlich genauer Detailtreue dem Vorbild eines ähnlichen, den sich ein Schriftsteller einst anderswo hatte bauen lassen, den sie bewunderte, Curzio Malaparte. Er sah sie vor sich, jetzt, wie sie dort auf dem Balkon lag, sich räkelte, aalte, umgeben wohl von jungen Mädchen, die sie an der amerikanischen Ostküste aufzulesen pflegte, in exklusiven Clubs, und nach zwei Wochen reich beschenkt und tief gedemütigt nach Hause schickte, please never darken my step again, baby .
    »Was willst du?«
    »Ich dachte bloß, wegen der Tiere, die wir werden.«
    Jetzt würde sie bestimmt gleich irgendeine ganz unfaßbare Unverschämtheit abfeuern: wie er im Grunde doch ein Versuchsäffchen mit Elektrodenklammern im Hirn sei, dessen Lustzentrum auf eigenes Betreiben so lange gereizt wurde, bis das Tier elend Hungers starb und es nicht einmal bemerkte. Vielleicht hat sie sogar, dachte Ryu, wie üblich bei Gesprächen mit der Künstlerin in eine unerklärlich dickflüssige Stimmung abgleitend, ein gewisses Recht, so mit mir zu reden, denn im Gegensatz zu Frau Späth, die ihr augenblickliches Luxusleben nur zu führen imstande ist, weil sie ihre, na, wie sagt man, Seele dem Löwen verkauft hat, hätte ich die freie Wahl gehabt, oder doch die verhältnismäßig freiere, denn ich wurde ja, wie man so sagt, mit einem Silberlöffel im Mund geboren, alter Geldadel, immer steinreich gewesen, werd es bleiben, egal, was passiert.
    Aber die Komponistin überraschte ihn: »Ich hab mir gedacht, du könntest doch ein Fuchs sein, nach dieser Revolution oder was er da vorhat.«
    Die siebzehn Bildschirme an der gewölbten Wand zeigten eine Welt, die sich würde beherrschen müssen, nicht auseinanderzufallen, um »dieser Revolution oder was er da vorhat« überhaupt noch Gefäß und Schauplatz sein zu können. Ryu wußte vom

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