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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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mit ihm die tiefsten Geheimnisse meines Geistes. Ich denke, ich fühle, ich begehre … Blendend weißes Licht erfüllt plötzlich die Krypta und stößt die Oberste Mistress und ihre Anhängerinnen zurück.
      »Ich befehle dir …«, schreit sie, aber ich lache nur darüber. Ich werde ihren Befehlen nicht folgen. Ich sehe Helen und Sarah in dem Chaos, packe ihre Hände und ziehe sie zu mir in den Kreis. Mein Geist leert sich vollständig. Ich fange an zu singen: »Die Luft unseres Atems, das Wasser unserer Adern, die Erde unserer K?rper und das Feuer unserer Begierden, kommt jetzt zu uns.?
      Sarah und Helen stimmen mit ein: »Das Wasser unserer Adern … das Feuer unserer Begierden …«Wir halten uns an den Händen, aber es fehlt noch jemand, die vierte Ecke des Kreises ist noch unbesetzt. Doch als ich die Augen öffne, sehe ich, dass sie da ist: Agnes, ganz in Weiß, lächelt mich an.
      Ich höre auf, gegen mein Schicksal anzukämpfen. Ich denke, ich begehre, ich fühle … oh, ja, ich fühle, und jetzt habe ich keine Angst mehr davor. Ich liebe, und ich bedauere es nicht. Liebe ist jetzt das Einzige, das zählt: meine Liebe zu Sebastian und meine nicht weniger kostbare Liebe zu Sarah und Helen. Und schließlich wende ich mich an Agnes, meine Ahnin, meine Freundin, meine Mystische Schwester …
      Ich strecke die Hand nach ihr aus. Sie nimmt sie, und wir sind vollständig. Helen hebt ihre Arme nach oben – dorthin, wo irgendwo über uns der unsichtbare Himmel leuchtet –, und Sarah kniet sich hin und legt ihre Hände auf den Boden. Aber Agnes und ich, wir bleiben stehen, und zwischen uns, auf dem Boden vor unseren Füßen, liegt Sebastian. Seine Lippen sind ausgetrocknet. »Wasser …«, stöhnt er.
      Wasser. Natürlich. Das Wasser des Lebens.
      Alles um mich herum verflüchtigt sich wie ein Nebel. Ich sehe mich selbst über die Moors gehen. Sebastian ist bei mir. Meine Schwestern sind bei mir, Helen und Sarah und Agnes … Ich steige höher, schreite über die kräftige, grüne Erde. Meine Mutter ist da. Mein Liebling Evie sagt sie zu mir. Eine große Woge aus Liebe schwemmt mich weg. Frankie ist da. Es gibt Schlimmeres als den Tod. Sie lächelt. Lebwohl, mein Lämmchen. Dann verschwinden sie alle, und ich steige allein weiter nach oben, immer höher, über die Kuppe des uralten Hügels hinaus, wo sich einst die Festung befand, ein Turm aus Erde unter den Sternen. Ich blicke nach unten und sehe jeden Fluss, jeden Bach, jedes Rinnsal in dem dunklen Tal. Ich sehe den See; ich sehe den Ozean, schwarz wie der Horizont. Jetzt endlich erkenne ich mich. Dies ist der Augenblick, und die Macht, ich selbst zu sein, ist in mir. Die Sterne sind geflohen, die Nacht ist vorüber, und als ich meine Hand hebe, gehorcht das Wasser mir und erhebt sich in einer gewaltigen Woge.
      Ich öffne die Augen. Unten in der Krypta rumpelt und bebt es. Zum ersten Mal sehe ich Angst im Gesicht der Obersten Mistress, als ihre Anhängerinnen sich panikerfüllt umdrehen und sie allein lassen. Der Boden bricht auf, die Wände stürzen ein, der Wind weht durch die Dunkelheit heran, und dann kommt das Wasser. In unseren inneren Kreis kann es nicht eindringen, aber durch die übrige Krypta rauscht es wie ein aufgewühltes Meer. Und es scheint, als würden unsere Feinde von ihm zur Seite geschleudert wie kleine Kieselsteine ans Ufer.
     

 Neunundvierzig
 
 
      
      D ie unerwartete Flut in den alten Kellern unter der Ruine ließ sich erklären: Ein launischer Zufall hatte dem Wasser vom See den Weg durch einen der vielen Tunnel eröffnet, die in alter Zeit errichtet worden waren. Ein Unfall, nichts weiter. Es war unmöglich, dass es eine andere Erklärung hätte geben können.
      Wir behielten unser Wissen für uns. Wir waren der Sturzflut entkommen, indem wir durch den Tunnel zur alten Höhle gelaufen waren. Dort, unter der Pan-Statue, hatte ich Sebastian zurückgelassen, eingehüllt in seinen Mantel. Ich benetzte seine Lippen mit dem Wasser der Quelle, küsste seine Hände und versprach ihm wiederzukommen. Aber als ich am nächsten Tag zurückkam, war er weg. Helen und Sarah begleiteten mich, und gemeinsam durchsuchten wir das unterirdische Labyrinth so gut wir konnten, aber wir fanden keine Spur von ihm. Es gab auch keinen Hinweis auf den Hexenzirkel. Das Wasser hatte sich wieder zurückgezogen, und zurück blieb nur ein heftiger Gestank nach Matsch und Schlamm. Auch hatte ich Angst davor, auf die Leichen unbekannter

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