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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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gab uns den entsprechenden Ton vor, und wir begannen zu singen; unsere Stimmen klangen hoch und klar. Dann f?hrte uns die Oberste Mistress die Stufen der Abtei hinunter. Ein paar karmesinrote Sonnenstrahlen waren am perlgrauen Himmel zu sehen. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Wir gingen langsam, wie es zu unserem feierlichen Gesang passte, der ? ?hnlich wie einst die d?nnen Stimmen der Nonnen ? ?ber den dunklen Rasen schwebte. Die schwarzen Gew?nder der Mistresses wehten im schneidenden Wind, und ich war froh ?ber meinen dicken Mantel.
      Die Prozession marschierte um den See herum und zur Ruine hinauf. Dann hörten wir auf zu singen und stellten uns im Kreis um den grünen Altarhügel herum auf. Die eingestürzten und verfallenen Säulen und Bögen der alten Kirche schimmerten im Kerzenlicht. Man hatte das Gefühl, sich auf einer Bühne zu befinden, die geradezu darauf zu warten schien, dass etwas geschah. Mrs. Hartle reichte Miss Scratton das Buch, und diese begann, eine Art Gebet zu singen, auch wenn ihre Stimme vom Wind gleich weggetragen wurde.
      »›Dem Mann, der von einer Frau geboren wird, ist nur eine kurze Lebensspanne bestimmt, und er ist voll des Elends. Er erhebt sich und wird niedergemäht wie eine Blume … Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben …‹«
      Die Worte strömten über mich hinweg. Ich sah zu, wie die Mädchen nacheinander zum Altarhügel schritten und ihre Blumen darauf legten, wobei sie die Worte flüsterten: »In Gedenken an Lady Agnes.«
      »›Wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Der letzte Feind, der vernichtet werden muss, ist der Tod …‹«
      Jetzt war ich an der Reihe. Ich ging langsam hinauf. Dies war der Ort, an dem sie gestorben war, getötet von dem Mann, den ich liebte. In einem kurzen Blitz sah ich noch einmal alles: den Kampf in der Dunkelheit, Agnes’ helles Kleid, die Wut in Sebastians Augen, das schreckliche, ewige Bedauern …
      »Für Agnes«, sagte ich. Dann fiel mir das andere stumme Opfer dieses heimgesuchten Ortes ein, und ich fügte leise hinzu: »Für Laura.«
      Ich drehte mich um und sah die Reihen von Mädchen überrascht an. Ich hatte ganz vergessen, dass ich nicht allein war. Miss Scrattons nüchterne Stimme erklang immer noch im Hintergrund. »›Wir danken dir zutiefst, dass du es für richtig hieltest, unsere Schwester Agnes vom Elend dieser sündigen Welt zu erlösen.‹«
      Und dann passierte es: Ein Schrei zerriss die nächtliche Stille. »Da! Seht nur, da!« Panik breitete sich unter den Mädchen aus. »Sie ist da drüben!« Blicke wurden gehoben, und Finger deuteten auf die Stelle, wo einst das Ostfenster gewesen war und sich jetzt nur noch ein halb zerfallener Bogen befand. Eine Gestalt in einem weißen Kleid hing dort in der Luft, deren Gesicht von einem langen, fließenden Schleier verhüllt wurde. Plötzlich schwebte sie nach unten und über die erschreckten Mädchen hinweg. Die Rufe verwandelten sich in wildes Geschrei. »Sie ist es! Das ist Lady Agnes!« Chaos brach aus, als die Mädchen davonrannten, dabei die Kerzen umwarfen und die Blumen zertrampelten.
      »Aufhören, Mädchen, sofort aufhören!«, rief Miss Scratton verzweifelt, aber niemand hörte auf sie. Alle um mich herum liefen weg, nur ich blieb reglos an Ort und Stelle stehen, ebenso wie die Oberste Mistress, die wie eine aus Stein gehauene Statue unter dem Bogen stand und mich mit ihren dunklen Augen triumphierend anstarrte.
       
 
      Als wir später alle wieder wohlbehalten zurück in der Schule waren, musste ich im Beisein aller anderen vor Mrs. Hartle antreten, die das Bündel Laken und Nachthemden hochhielt, mit denen eine Gruppe Schulmädchen erschreckt worden war.
      »Evelyn Johnson«, sagte sie mit kalter Stimme. »Auf diesen Kleidungsstücken steht eindeutig dein Name. Was du heute Abend getan hast, verrät nicht nur einen beklagenswerten Mangel an Verständnis für andere und eine zum Himmel schreiende Respektlosigkeit gegenüber den Traditionen von Wyldcliffe, sondern auch ein beachtliches Maß an Dummheit. Hast du wirklich geglaubt, du könntest mit diesem sinnlosen Streich davonkommen?«
      Ich starrte auf den Boden und antwortete nicht. Die naheliegendste Vermutung war, dass Celeste mir die ganze Sache eingebrockt hatte. Sie hatte meine Sachen benutzt, um eine vogelscheuchenähnliche Version von Agnes herzustellen, und diese hatte genügt, die jüngeren Mädchen in Angst und Schrecken zu versetzen und die Prozession zu stören.

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