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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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»Aber wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich dir!«
      Und damit galoppierte er in Richtung Dorf davon. Wir werden uns wiedersehen. Ich verdrängte den Gedanken, schob ihn an einen fernen und geheimen Ort, während ich eine Erkenntnis zu verdrängen suchte: Ich hoffte, er würde Recht behalten.
      Der prasselnde Regen brachte mich wieder zu Sinnen. Ich raffte meine Sachen zusammen und schleppte sie die Straße entlang zur Schule. Schließlich kam ich an ein Eisentor, das in eine Steinmauer eingelassen worden war. Ein altes Schild war an der einen Seite des Tores befestigt. Darauf stand:
      WYLDCLIFFE
 BE C OOL
 OR YOU DIE
     
       
 
      Voller Entsetzen starrte ich das Schild an, dann, nach einem Moment, lachte ich leise auf. Ich las noch einmal, was dort stand, nur dass ich diesmal die Lücken ausfüllte, wo die Farbe von den Buchstaben abgeblättert war.
       
 
    WYLDCLIFFE ABBEY
    SCHOOL FOR YOUNG LADIES.
     
       
 
      Ich war angekommen.
     

 Zwei
 
 
      
      N ie werde ich den Moment vergessen, als ich die Klosterschule zum ersten Mal sah. Ich ging die Auffahrt entlang, folgte einer Biegung und sah mein neues Zuhause vor mir aufragen – das karge, graue Wyldcliffe in all seiner gotischen Herrlichkeit.
      Es war ein düsterer, bedrückender und geheimnisvoller Ort. Türme und Zinnen ragten wild in den Himmel, und die Reihen von Fenstern mit ihren Vorsprüngen wirkten wie Augen, die ins Leere starrten. Über der massiven Vordertür war eine Lampe angebracht worden, die im Wind hin und her schwang. Ich kam mir vor, als wäre ich in ein vergangenes Jahrhundert zurückversetzt worden. Überwältigt stand ich da, während einige Mädchen um das Gebäude bogen und die Stufen hochrannten, um aus dem Regen zu kommen. Sie rissen mich aus meiner Benommenheit, und ich folgte ihnen.
      Als ich oben angekommen war, stieß ich die mit Schnitzereien verzierte Eichentür auf. Die Mädchen waren nicht mehr zu sehen; sie waren irgendwo in dem wie eine Höhle wirkenden Gebäude verschwunden. Die schwach beleuchtete Eingangshalle lag leer und still vor mir. Verblassende Schultrophäen wurden in Vitrinen zur Schau gestellt, und in einem riesigen Kamin flackerte ein Feuer. Am anderen Ende der Eingangshalle f?hrte eine breite Marmortreppe nach oben. Bei den oberen Stockwerken war ?berall ein Treppenabsatz, und mir wurde fast schwindelig vom Hochsehen. Ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen, au?er vielleicht in einem Museum. Ich schritt ?ber die Bodenfliesen zum Kamin und versuchte, mich etwas aufzuw?rmen.
      Das ist es also, dachte ich. Mein neues Leben . Dies hier war die berühmte Abteischule Wyldcliffe. Es war nicht das, was ich mir gewünscht hatte, aber ich hatte vor, das Beste daraus zu machen. Ich würde nicht jammern. Ich würde intensiv lernen und Dad stolz machen.
      »Du musst Evie Johnson sein«, ertönte da eine Stimme, die nach Geld klang. Ich fuhr herum und sah eine große, elegante Frau in den Feuerschein treten.
      »Ja, das bin ich.« Ich lächelte und strich mir über die nassen Haare. Da ich davon ausging, dass man auf Wyldcliffe Wert auf gute Manieren legte, streckte ich ihr die Hand entgegen. »Guten Tag.«
      Die Frau ignorierte meine ausgestreckte Hand und mein Lächeln jedoch. Sie tat erst einmal gar nichts, sondern musterte einfach nur eingehend mein Gesicht. Dann runzelte sie die Stirn.
      »Du kommst spät. Unpünktlichkeit wird auf Wyldcliffe nicht geduldet.«
      »Oh, aber es ging nicht anders …«, fing ich an zu erklären, aber dann warnte ihre Miene mich davor weiterzusprechen. Ich spürte, wie ich mich unter ihrem kalten Blick zu winden begann, als wüsste sie, dass ich mich eine Weile im Regen mit einem Fremden abgegeben hatte. »Es tut mir leid.«
      »Sieh zu, dass es nicht wieder vorkommt«, erwiderte sie kühl. »Ich bin Celia Hartle, die Oberste Mistress von Wyldcliffe. Folge mir jetzt. Dein Gepäck kannst du hierlassen. Die Hausmeisterin wird sich darum kümmern.«
      Das also war die Direktorin. Ich hoffte nur, dass die anderen Lehrer und Lehrerinnen – Mistresses, wie sie hier etwas altmodisch genannt wurden – etwas menschlicher waren. Sie führte mich einen nach links abgehenden dunklen Korridor entlang, bis sie vor einer Tür mit einem Schild stehen blieb, auf dem in schwarzen Buchstaben stand: Oberste Mistress. Wir betraten ein elegantes Arbeitszimmer, dessen Wände holzvertäfelt waren und das mit Büchern, Gemälden und antiken Möbeln

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