Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
wird das Fachmagazin Zweirad einen kleinen Bericht samt Foto drucken, das Gustl Mollath dabei zeigt, wie er einen Autoreifen zur Montage fertig macht. Das Bild stammt aus dem Februar 1986. Die Zweirad -Redaktion hatte es angesichts der vielen Medienberichte über Mollaths Schicksal ausgegraben. »Die älteren Motorradfahrer«, schreibt das Blatt, würden sich an »die Firma Augusto M. am Nordwestbahnhof in der Schnieglinger Straße erinnern«, die von ebendiesem Mollath betrieben worden sei. »Schon damals« habe er »zur Riege der in dieser Branche immer wieder auftauchenden, extrovertierten Selbstdarsteller« gezählt. Von Mollath stamme der Satz: »Da habe ich Pirelli erst einmal erklärt, wie man Reifen macht.« Augusto M. sei »ein bunter Branchenvogel« gewesen.
So erzählt das auch Jochen Wagner, Studienleiter an der Evangelischen Akademie in Tutzing. Auch er kennt ihn von früher. »Mollath, das war ein redlicher Freak.« Einer, der Guzzi gefahren ist, wo sie in Nürnberg alle schon auf Kawasaki und Suzuki und was nicht alles umgeschwenkt waren. Einer, der drei Tage schraubte, um einen Tag anständig fahren zu können, dann aber richtig. Einer, der Woodstock im Kopf hatte, aber schon in jungen Jahren zu den »passioniertesten und versiertesten Schraubern« der Stadt gehörte. Alles in allem: einer, der nicht unbedingt auffallen wollte. Aber der auf jeden Fall auffiel.
Mollath versucht Ende der 1980er Jahre ein neues geschäftliches Standbein aufzubauen. Er restauriert nun auch Oldtimer. Und das war wohl so etwas wie sein Leben.
Als Gustl Mollath am 17. April 2008, einem Donnerstag, als Insasse der geschlossenen forensisch-psychiatrischen Klinik im niederbayerischen Straubing vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Regensburg seine sechs eng beschriebenen Seiten kundtut, von denen er hofft, sie mögen das Gericht von seiner geistigen Normalität überzeugen, erzählt er auch von seiner Zeit als Ferrari-Restaurator. Besser gesagt, er gerät ins Schwärmen und gibt auch ein bisschen an. »Ich habe die schnellsten Ferraris gebaut und nicht nur restauriert«, sagt er. »Mein 246er Dino drehte 9000 Umdrehungen in der Minute. Er war schneller als ein 911 RS, Baujahr 1992, über 270 km/h. Beim größten Oldtimerfestival der Welt, beim Grand Prix in Silverstone, wurde mein Dino zu den ›most important Ferraris of the Event‹ gezählt und im Programmheft abgebildet.«
Das mag alles so gewesen sein, aber die Geschäfte mit den roten Flitzern aus Maranello liefen keineswegs immer perfekt. Ein Rechtsstreit über die Lackierung eines Exemplars zieht sich über Jahre hin. 1999 gewinnt Mollath den Prozess zwar, aber der Streit habe ihn schwer in Mitleidenschaft gezogen und viel Kraft gekostet, sagt er später. Richtig viel Geld verdient er wohl nie mit dem Laden. Andererseits kommt er dank der elterlichen Erbschaft über die Runden, bis zum Jahr 2000, in dem er die Firma schließen muss.
Edward Braun, Zahnarzt aus Bad Pyrmont, hat Gustl Mollath und dessen damalige Ehefrau schon lange vorher kennengelernt. Auch er ist ein Ferrarista, und als sich 1985 etwa hundert Ferrari-Fahrer in Bozen verabreden, machen sich beide auf den Weg über den Brenner: Braun von Bad Pyrmont, Mollath von Nürnberg aus. Auf der Autobahn in Italien wird die Anreise ziemlich jäh unterbrochen, denn etliche Ferraris prallen aufeinander. Braun und das Ehepaar Mollath lernen sich sozusagen auf der Autobahn kennen, nach einer Massenkarambolage. Man kommt ins Gespräch, diskutiert die missliche Situation, und der eine sagt, dass er aus Nürnberg stammt. Braun kommt ursprünglich aus Schweinfurt, Franken unter sich. Fortan treffen sich Edward Braun und Gustl Mollath immer wieder, wenn sich Ferraristi irgendwo verabredeten. Die Freundschaft wird erst knapp zwanzig Jahre später einschlafen.
Dass im Landgerichtsurteil von 2006 die Rede davon ist, dass Mollath mit seinem Geschäft nie schwarze Zahlen geschrieben und seine Frau, die erfolgreiche Vermögensberaterin bei der Hypovereinsbank, das Geld herangeschafft habe, ringt Edward Braun nur ein müdes Lächeln ab. Mollath war es, der das Vermögen eingebracht hatte, sagt er. Braun schätzt es, samt Haus, auf etwa eine Million Euro. Das Haus wird später zwangsversteigert. Und zwar auf entsprechende Anträge der Exfrau Mollaths und der Hypovereinsbank hin. Am Ende des entsprechenden Prozederes ersteigert Mollaths Exfrau am 4. Dezember 2007 das Haus ihres in der Psychiatrie einsitzenden
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