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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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zu erklären, sie
bat, sie beschwor ihn, ihr alles zu sagen, allein er beharrte bei
seinem Entschlusse.
    »Ihr Oheim ist mit den Polizeiorganen hier
nebenan,« sagte er, »sie können jeden
Augenblick zurückkommen, bitte, gehen Sie, damit man Sie hier
nicht findet. Bitte, gehen Sie,« wiederholte er und
drängte die Zögernde sanft über die
Schwelle. Er hatte eben noch Zeit, die Türe hinter ihr
zuzuziehen, als der Kommissar und der Bankier wieder eintraten.
    Die beiden hatten das Empfangszimmer und die Haupttreppe
besichtigt, aber von dem, was im Arbeitskabinett vorgegangen, nichts
gehört, aber Fanferlot war auf der Lauer gewesen. Er hatte
sich gesagt, »wenn der Kassierer sich allein glaubt, wird
manches auf seinem Gesichte zu lesen sein,« und ihn deshalb
belauscht. Auf diese Weise war er Zeuge des Gespräches
zwischen Magda und Prosper geworden.
    Zwar war daraus nicht viel zu entnehmen, nur soviel erriet er,
daß zwischen den beiden ehemals etwas vorgefallen sein
mußte, das sie jetzt nicht berühren wollten.
    Es galt Fanferlot als ausgemacht, daß der Kassierer
das schöne Mädchen liebte, auch sie mochte seine
Neigung erwidern, und nun spann der phantasievolle Sicherheitsagent
sofort einen Roman daraus, der ihm den Schlüssel zu dem
rätselhaften Verbrechen geben sollte: Der Bankier sah das
Liebesverhältnis der beiden mit scheelen Augen an, und um sich
des jungen Mannes zu entledigen, hatte er den Diebstahl fingiert.
    Fanferlot war klug genug, seine Vermutung für sich zu
behalten, er war von der Unschuld des Kassierers zwar
überzeugt, aber er wußte, daß er sie auch
beweisen mußte, um andere davon zu überzeugen, und da
er den Ruhm, diese verwickelte Geschichte zu entwirren, ganz allein
haben wollte, beschloß er, die Untersuchung auf eigene Faust
zu führen. Er war ganz vergnügt bei dem Gedanken und
schwelgte schon im Vorgeschmack seines künftigen Triumphes.
    Unterdessen war die Besichtigung im ersten Stocke beendet und
alle begaben sich wieder ins Kassenzimmer hinab. Der Polizeikommissar
sah sorgenvoll aus. Der Augenblick war gekommen, wo er einen
Entschluß fassen mußte und die Entscheidung fiel ihm
schwer.
    »Wir haben also,« sagte er, »unsere
erste Meinung bestätigt gefunden, von außen ist
niemand eingedrungen. Sie sind doch auch der Meinung,
Fanferlot?«
    Der Angeredete gab keine Antwort, er war damit
beschäftigt, das Schloß der Kasse mit der Lupe zu
untersuchen und sein Gesicht drückte so unverhohlenes
Erstaunen aus, daß es allen auffiel. Der Kommissar, Fandet und
Prosper traten hinzu und ersterer fragte: »Haben Sie etwas
entdeckt?«
    »O, nichts von Bedeutung,« antwortete
Fanferlot leichthin, innerlich höchlich verstimmt,
daß er sein Erstaunen nicht besser verborgen hatte.
    »Wir möchten aber doch gern wissen, was es
ist,« sagte Prosper.
    »Nun, ich habe einfach den Beweis gefunden,
daß der Geldschrank vor kurzem mit einer gewissen Heftigkeit
geöffnet oder geschlossen worden ist.«
    »Woraus schließen Sie das?« fragte
der Kommissar mit sichtlichem Interesse.
    »Hier, Herr Kommissar, bitte, besehen Sie den Strich
an der Türe, der am Schlüsselloch
anfängt.«
    Mit diesen Worten überreichte der Sicherheitsagent
seinem Vorgesetzten das Vergrößerungsglas und dieser
besichtigte lange und aufmerksam die bezeichnete Stelle. Es war
deutlich, selbst mit freiem Auge zu erkennen, daß sich ein
etwa zwölf bis fünfzehn Zentimeter langer Strich von
oben nach unten durch den Firnis zog.
    »Den Strich sehe ich wohl,« sagte der
Kommissar, »allein was soll er beweisen?«
    »O nichts, ich sagte es ja eben,« erwiderte
Fanferlot; in Wirklichkeit aber war er überzeugt, daß
der offenbar frische Strich eine Bedeutung hatte, ja er war um die
Auslegung nicht verlegen und er sah darin die Bestätigung
seiner Vermutung, daß nicht der Kassierer, sondern der Bankier
selbst der Dieb war. Der Strich verriet Eile, nun, der Kassierer, der
zu jederzeit in die Kasse gehen kann, braucht sich nicht zu beeilen,
wohl aber der Chef, der nachts heimlich auf den Fußspitzen
herabschleicht, um den Diener nebenan nicht zu wecken – wie
leicht konnte da der Schlüssel seinen zitternden
Händen ausgleiten und den Firnis ritzen.
    Da aber Fanferlot entschlossen war, die Angelegenheit allein
zu entwirren, so behielt er seine Meinung für sich und war
sogar bemüht, des Kommissars Aufmerksamkeit wieder von dem
Strich abzulenken.
    »Meiner

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